So unselig schön
grübeln, würde einmal den Augenblick bestimmen lassen, nicht an morgen denken. Like a fool, I fell in love with you, turned my whole world upside down. Ihre Hände glitten über seine unrasierten Wangen, bis zu den Schläfen und den Ohrmuscheln, erkundeten deren Form. Ihr Körper an seinem straffte sich. Weiche Lippen küssten seine geschlossenen Lider. Erst das eine, dann das andere. Seine Haut prickelte, seine Atmung beschleunigte sich. Ihre Lippen suchten seine, vorsichtig, wie eine Frage, und entfernten sich wieder. Was sollte er antworten? Ja, ich will mit dir ins Bett. Jetzt. Sofort. Aber ich kann dir keine Garantie geben, dass das mit uns etwas wird, dass meine Gefühle deinen ebenbürtig sein werden, dass wir unsere Freundschaft nicht zerstören.
Mit dem Daumen strich sie über die Falte an seiner Nasenwurzel. »Du grübelst«, flüsterte sie in sein Ohr. »Ich erwarte keinen Heiratsantrag von dir und keine Liebesschwüre, ich will nur mit dir ins Bett.«
Das stimmt nicht, dachte er. Ich wäre lieber mit dir gestorben, als ohne dich zu leben. Wenn das wahr war … Er machte sich das Leben unnötig schwer.
Sie biss in sein Ohrläppchen, die Spitze ihrer Zunge begann sein Ohr zu erforschen.
Etwas in ihm stellte das Denken ein und stieß ihn über eine Klippe. Bereitwillig ließ er sich fallen.
F REITAG , 18. J UNI
Als er aufwachte, war das Bett neben ihm leer. Ginas Kleidung, die sie gestern achtlos in der Wohnung verstreut hatten, während sie sich mit Eric Claptons Begleitung langsam dem Schlafzimmer genähert hatten, war verschwunden. Wie sie. Keine Nachricht. Die beiden Gläser standen in der Küche, am Boden eingetrocknete Weinreste. Wären sie nicht gewesen, hätte er vielleicht geglaubt, nur geträumt zu haben.
Sie war gegangen.
Irgendwann im Morgengrauen, nachdem er erschöpft eingeschlafen war, hatte sie sich davongeschlichen, wie Agnes! Weshalb hielt es keine eine Nacht mit ihm aus?
Ärger legte sich über das Gefühl der satten Zufriedenheit, der inneren Ruhe, diesen Anflug von Glück, mit dem er aufgewacht war.
Er duschte, braute sich seinen Morgenkaffee, trank ihn auf dem Balkon und fuhr dann nach Nymphenburg zu Werneggs Haus. Während der Fahrt überlegte er, ob er Gina anrufen und ihr sagen sollte, wie schön diese Nacht mit ihr gewesen war. Sie hatte sie doch auch genossen. Weshalb war sie gegangen? Was machte er falsch?
Buchholz und seine Leute waren bereits bei der Arbeit. Er wirkte vergnügt. Endlich gab es Spuren, und zwar in Hülle und Fülle. Dühnfort begann mit dem Wohnzimmer. Er war auf der Suche nach einer Antwort. Weshalb hatte Wernegg das getan? Zwei Stunden später war er jedoch nicht einen Schritt weitergekommen. Kein Tagebuch, keine Aufzeichnungen, keine Korrespondenz oder E-Mails, die einen Hinweis auf das Motiv gaben. Im Arbeitszimmer entdeckte er einen Ordner mit Mietverträgen der Wohnungen, in denen Wernegg gewohnt hatte, bevor er in dieses Haus zurückgekehrt war. Sein Elternhaus.
Dühnfort blätterte den Ordner durch und atmete scharf aus, als er den Vertrag für ein Haus entdeckte, das sich, der Postleitzahl nach zu urteilen, in der Nähe von Düsseldorf befinden musste. Das Dokument war sechseinhalb Jahre alt.
Er rief Susanne Henke an, brachte sie auf den aktuellen Stand und bat sie herauszufinden, wo sich das Haus befand. Dass Wernegg der Mörder von Nadine Pfaller und Jana Wittich war, konnten sie beweisen, im Fall Svenja Lenhard hatten sie bisher nichts.
Gegen Mittag brach Dühnfort die Suche ab und rief im Krankenhaus Harlaching an, in dem Wernegg lag. Sein Zustand hatte sich nicht verändert. Seine Tante sei bei ihm, erklärte die Stationsschwester.
»Sind Sie so nett und bitten Sie sie zu bleiben. Ich würde mich gerne mit ihr unterhalten.« Dühnfort machte sich auf den Weg.
***
Während der Fahrt rief er sich die Informationen aus Alois’ Unterlagen ins Gedächtnis: Stefanie Karg war die Schwester von Jobst Werneggs Mutter Susanne. Sie war zwei Jahre älter, unverheiratet und arbeitete als Lehrerin in dem Internat am Ammersee, das Jobst besucht hatte.
Er traf sie vor den Türen der Intensivstation, wo sie auf ihn wartete. Eine sportlich wirkende Anfangssechzigerin mit kastanienbraun gefärbtem Haar, hellem Teint und erstaunlich glatter Haut. »Lassen Sie uns in den Garten gehen«, schlug sie vor. »Ich brauche dringend eine Zigarette, und hier drinnen …« Mit der Packung in der Hand machte sie eine ausladende Bewegung, die den ganzen
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