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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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sie nicht gesehen und dachte immer seltener an sie, die Frau, mit der er hatte alt werden wollen.
    Zehn Minuten später trat er in das Schummerlicht und die Kühle des ehemaligen Klosters in der Ettstraße, in dem das Polizeipräsidium München untergebracht war. Er stieg in die dritte Etage empor, ging über den linoleumbelegten Flur, passierte den Kaffeeautomaten, dem er seit Monaten keine Opfer mehr darbrachte – das Leben war zu kurz, um schlechten Kaffee zu trinken –, und betrat sein Büro. Mit einer Hand schaltete er die Espressomaschine an, mit der anderen schloss er die Tür.
    Auf dem Schreibtisch lag der erste Bericht der KTU . Während er sich in diesen vertiefte, trank Dühnfort einen Espresso doppio. Am späten Nachmittag erreichte ihn die Mail von Ursula Weidenbach mit dem Zahnstatus des Opfers. Da Alois und Gina noch unterwegs waren, nahm Dühnfort sich die Vermisstendatei vor und suchte nach einer jungen Frau mit Blinddarmnarbe, Tattoo, Leberfleck und einem Keramikinlay im Zahn drei sechs. Keine der Angaben traf auf eine vermisste Person zu. Merde, fluchte Dühnfort lautlos.
    Etwas in ihm wollte die junge Frau schützen, ihr den letzten Rest an Würde bewahren, der ihr im Tod geblieben war. Das Einzige jedoch, was er für sie tun konnte, war, ihren Mörder zu finden, und deshalb musste er ihr, wenn auch retuschiertes, Foto der Presse zum Fraß vorwerfen.
    Er rief im Institut an und erfuhr, dass die Fotografien vor Redaktionsschluss der Münchner Zeitungen und Nachrichtensender fertig seien und rechtzeitig der Presseabteilung zugehen würden. Mit einem weiteren Telefonat informierte Dühnfort Heribert Schmockmöller, den Leiter der Pressestelle, und gab ihm die nötigen Informationen.
    Um kurz vor sechs ging er hinüber zu Gina und Alois. Zeit, den Informationsstand abzugleichen, wie immer in seinem Büro.
    Als die beiden kurz darauf hereinkamen, dampften zwei Espressi mit perfekter Crema in vorgewärmten Tassen. Eine davon reichte er Gina. Alois war passionierter Teetrinker, den weder Cappuccino noch Espresso, noch eine der unzähligen weiteren Kaffeevarianten locken konnten.
    »Welch ein Service. Danke.« Gina ließ sich auf einen Stuhl am Besprechungstisch plumpsen. Das flaschengrüne T-Shirt, das sie zur hellbraunen Cargohose trug, spannte über dem runden Busen und einer kleinen Speckrolle nahe der Taille. Dühnfort ertappte sich bei der flüchtigen Überlegung, wie sich diese Rundungen wohl anfühlen mochten.
    Mit einem Schluck leerte sie die Tasse und stellte sie ab, während ein zufriedenes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien. »Alleine wegen des Espressos sollte dir jede Frau, die bei klarem Verstand ist, einen Antrag machen.«
    Alois’ Blick pendelte zwischen der Espressomaschine und Gina. »Vielleicht sollte ich mir auch so ein Teil zulegen«, meinte er einen Moment später.
    »Du kommst doch eh schon nicht mehr nach, Kerben in deine Bettpfosten zu schnitzen«, erwiderte Gina. Alois’ Erfolg bei Frauen war ebenso legendär wie seine Unfähigkeit, sich länger als ein paar Wochen an eine zu binden.
    Dühnfort setzte sich zu den beiden, fasste das bisherige Ergebnis der Obduktion zusammen und erklärte, dass er Boos gebeten hatte, Vi CLAS zu durchforsten. Danach war es erst einmal still. Alois stützte das Kinn auf die Hände, Gina zog die Stirn kraus. »Er hat sie ausbluten lassen. Warum? Was hat er mit dem Blut gemacht? Braucht er das für ein Ritual?«
    »Diese Vampirromane und -filme boomen zurzeit … vielleicht hat ihn das inspiriert«, überlegte Alois.
    »Meines Wissens beißen Vampire und lassen ihre Opfer ansonsten unversehrt«, entgegnete Gina.
    Dühnfort ließ die Hände auf den Tisch sinken. »Die Reihenfolge ist möglicherweise wichtig. Für den Täter muss das einen Sinn haben.«
    Alois lockerte den Krawattenknoten. »Vielleicht hat er das Blut getrunken?«
    Gina stöhnte.
    »Hast du mit Vicki Senger gesprochen?« Dühnfort wandte sich an Gina.
    »Hab ich. Sie ist hundertprozentig sicher: Am Samstag war die Tür, die von hinten über die Treppe ins Sudhaus führt, zugesperrt. Ein Vorhängeschloss hing daran. Ob das Tor in der Umgrenzungsmauer offen war, weiß sie nicht. So weit ist sie gar nicht gegangen, weil sie vorher die losen Bretter im Zaun entdeckt hat.«
    Dühnfort wandte sich an Alois. »Wie sieht es mit den Interessenten für das Areal aus?«
    »Das Gelände gehört einer Erbengemeinschaft aus Wasserburg. Die sind hier alle aufgeführt.« Alois schob Dühnfort eine

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