So unselig schön
zu dick, dazu gemischte Vorspeisen, Ciabatta, etwas Melone und eine Handvoll Cherrytomaten. »Meo hat ihn ausfindig gemacht. Er sagt, er saß alleine hier. Nadine hat ihn versetzt.«
»Scheint zu stimmen. Jedenfalls kann sich niemand an sie erinnern.« Ginas Blick folgte seinem zur Vitrine. »Meine Mutter hat vorhin angerufen. Sie kocht heute Abend. Irgendwas mit Zander. Fisch magst du doch. Sie meint, wenn du Lust hast … Was für sechs reicht, reicht auch für sieben.«
Dorothees Talent fürs Kochen stand im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Leidenschaft dafür. Normalerweise freute Dühnfort sich über ihre Einladungen. Wobei er sie nicht in der Erwartung annahm, eine gute Mahlzeit vorgesetzt zu bekommen, sondern einen Abend in netter Gesellschaft zu genießen. Doch jetzt sträubte sich unerklärlicherweise etwas in ihm. »Heute nicht. Danke.« Die Antwort war zu schnell gekommen und zu ablehnend. »Mir liegt unser Fall etwas quer im Magen. Entschuldige«, fügte er versöhnlich hinzu. Trotzdem bemerkte er, wie sich ihr Blick veränderte und sich die Haut an der Nasenwurzel zu einer kleinen Falte zusammenschob. »War schließlich eine Einladung und keine Vorladung.« Sie zuckte mit den Schultern.
Seine brüske Ablehnung tat ihm leid, und verwundert fragte er sich, woher sie so plötzlich gekommen war. Es war jedoch nicht der passende Zeitpunkt, über die Untiefen seiner Gefühle zu sinnieren.
Er zog den Flyer aus der Sakkotasche und erklärte Gina, wer Mr Right war, was er beruflich machte und dass er Nadine angeblich nicht persönlich gekannt habe.
»Also einer von diesen notorischen Fremdgängern. Manche brauchen mehr als eine, andere dagegen scheinen ganz ohne auszukommen. Kannst du mir mal erklären, wieso? Das eine ist anstrengend und das andere traurig.«
»Ich fürchte, da bin ich nicht kompetent«, antwortete Dühnfort und fragte sich, ob sie ihn der Spezies der Freudlosen zurechnete. »Ich habe etwas vergessen. Bist du so nett und rufst Siersch an? Bitte ihn um eine Liste aller Kunden, denen er, sagen wir mal, in den letzten zwölf Monaten, die Brauerei als Drehort vorgeschlagen hat.«
»Wird gemacht, Boss.« Sie wollte ihm die kleine Broschüre aus der Hand nehmen.
»Einen Teil brauche ich noch.« Er riss die Seite mit Adresse und Telefonnummer ab und gab sie Gina.
»Ich kümmere mich gleich darum. Aber vorher möchte ich einen Latte macchiato. Soll ich dir einen doppelten Espresso mitbestellen, während du das Bild von diesem Casanova rumzeigst?«
Er konnte unmöglich schon wieder ablehnen und nickte.
Gina wandte sich an den Verkäufer, der ihrem Gespräch gefolgt war. »Wir nehmen den Kaffee draußen, und ich hätte gerne noch ein Tiramisu dazu.«
Fünf Minuten später setzte Dühnfort sich zu Gina unter eine weinrote Markise. Ihr Kaffee war bereits serviert worden, seinen brachte der Kellner kurz darauf. Gina löffelte Tiramisu. An ihrer Oberlippe haftete Kakaopulver, das sie mit der Zungenspitze wegwischte. »Und?«, fragte sie.
»Zwei Mitarbeiter können sich an Siersch erinnern. Er saß tatsächlich alleine an einem Tisch, den er für zwei reserviert hatte. Kurz vor neun ist er gegangen.«
»Wäre ja auch zu einfach gewesen.« Gina schob einen weiteren Löffel Tiramisu in den Mund. Wieder blieb etwas Kakao an der Oberlippe haften. »Bleibt die spannende Frage, wo Nadine hingefahren ist, wenn nicht zu ihrem Date.«
»Vermutlich hat sie sich verfahren. Sie war ein Schusselhuhn, sagt ihr Exfreund.« Dühnfort berichtete ihr von seinem Gespräch mit Nico Hähnel und der Aussage von Johannes Schack. »Es wäre möglich, dass sie gewohnheitsgemäß zum Marienplatz gefahren ist und erst dort ihren Irrtum bemerkt hat. Die Fahrt zurück zum Ostbahnhof ist umständlicher und dauert länger, als vom Marienplatz eine Station zum Odeonsplatz zu fahren und dann zum Gandl zu laufen.«
»Hmm.« Gina runzelte die Stirn. »Wenn sie so ein Schusselhuhn war, glaubst du, sie hat dann gewusst, wie sie vom Odeonsplatz hierherkommt?«
»Vielleicht hat sie jemanden gefragt.«
»Jemanden.« Wieder wischte Gina sich das Kakaopulver mit der Zungenspitze von der Lippe, und Dühnfort hatte das Gefühl, der Boden gäbe unter ihm nach. Weshalb wollte ein Teil von ihm plötzlich mehr als Ginas Freundschaft? Und was war mit Agnes? Seit gestern wusste er, dass sie die Trennung bereute und ihm eine neue Chance geben würde. Weshalb zog er sich zurück? Mit einem Schluck trank er den Espresso. Bitterer Geschmack
Weitere Kostenlose Bücher