So unselig schön
Haare waren modisch geschnitten, die Gesichtszüge markant, der Blick offen.
»Wussten Sie, dass es nur neunundzwanzig silberfarbene Jaguar XK Coupé mit Münchner Kennzeichen gibt?«, fragte Dühnfort.
»Nein, das wusste ich nicht. Aber es erleichtert Ihre Arbeit sicher.«
»Sie und Ihr Freund René Fuhrmann gehören zu den Haltern und geben sich gegenseitig ein Alibi.«
»So habe ich das noch gar nicht gesehen.« Werneggs Brauen rutschten ein wenig zusammen. »Aber ich war an diesem Abend mit dem Volvo unterwegs. Der Jaguar stand daheim in der Garage.« Mit einem Mal huschte ein Lächeln über Werneggs Gesicht. »So wie es aussieht, sollte ich mich über den Strafzettel, den ich am Samstagabend bekommen habe, nicht ärgern, sondern freuen.«
Dühnfort lehnte sich im Sofa zurück. »Gibt es einen Grund, weshalb Sie das gleiche Fahrzeug fahren wie Ihr Freund?«
Das Lächeln wich einem leicht verärgerten Zug. »Das war eine dumme Wette. René hat sich vor einigen Wochen den Jaguar gekauft und hatte die fixe Idee, ich bräuchte auch einen. Ich war anderer Meinung, aber dann sind wir eines Nachts im Schumann’s versackt. René schlug eine Wette vor, auf die ich mich einließ und die ich verlor. Dumm, nicht wahr? Ich mag den Wagen nicht und fahre ihn daher kaum. Vielleicht sollte ich ihn zugunsten der Stiftung versteigern lassen.«
»Gab es einen besonderen Grund, weshalb Fuhrmann wollte, dass sie den gleichen Wagen fahren?«
»Weil wir wie kleine Jungs sind. Kaum hat der eine ein neues Spielzeug, muss der andere es auch haben«, antwortete Wernegg schmunzelnd. »Das würde Verena jetzt sagen. Verena ist Renés Frau. Und so ganz unrecht hat sie damit nicht. Irgendwie geht das schon seit Schulzeiten so.« Wernegg zuckte mit den Schultern.
»Kommen wir zum Samstag. Die Galerie, die Sie besucht haben, befindet sich nur fünf Gehminuten von dem Ort entfernt, an dem ein Zeuge beobachtet hat, wie Nadine Pfaller in einen silbernen Jaguar gestiegen ist. Wissen Sie, wo René Fuhrmann seinen Wagen geparkt hatte?«
»Nein. Tut mir leid. Wir haben uns vor der Galerie getrennt. Er ist nach rechts gegangen. Vielleicht hatte er seinen Wagen weiter vorne stehen, in der Prannerstraße.«
»Sie sind um halb neun gegangen. Sie sind sich da absolut sicher?«
Werneggs Arme, die bisher offen auf seinen Oberschenkeln gelegen hatten, rückten näher zusammen. Mit der Linken umfasste er das rechte Handgelenk.
»Ganz ehrlich: Hundertprozentig sicher war ich mir nicht, als René mich anrief.«
Dühnfort atmete durch. »Fuhrmann hat Sie deswegen angerufen? Wann? Heute?«
»Gestern. Nachdem Ihre Kollegin bei ihm gewesen war. Ich weiß, das sieht jetzt komisch aus, als hätten wir uns abgesprochen. Aber meine Unsicherheit bezog sich auf ein paar Minuten. Es kann frühestens Viertel nach acht gewesen sein, als wir gingen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich kurz vor oder nach halb neun wieder hier im Büro war.« Wernegg machte eine Geste in den Raum hinein. »Fünf Minuten. Länger habe ich sicher nicht hierher gebraucht. Wir haben uns vor der Galerie noch kurz unterhalten und überlegt, ob wir etwas trinken gehen. Aber ich musste am Montag nach Amsterdam und wollte vorher noch eine Präsentation fertig machen.«
»Sie ändern Ihre Aussage also: Sie und René Fuhrmann sind nicht um halb neun aus der Galerie gegangen, sondern zwischen 20 . 20 und 20 . 30 Uhr.«
»Ja. Das ist richtig.«
Wenn Fuhrmann seinen Freund angerufen hatte, um sicherzugehen, dass er die gleiche Aussage machte wie er selbst, dann hatte er das vermutlich auch bei der Galeristin getan. Ging es allerdings tatsächlich nur um die Zeitspanne von zehn Minuten, dann konnte keiner der beiden um zehn nach acht in der Galeriestraße gewesen sein. »Gibt es außer Frau Klees Zeugen, die Ihre Angaben bestätigen können?«, fragte Dühnfort verärgert.
Bedauernd schüttelte Wernegg den Kopf. »Ich fürchte, nein. Ich war alleine im Büro. Am Wochenende ist das Haus leer. Mir ist niemand begegnet. Weder, als ich es betreten habe, noch im Lift.«
»Haben Sie vielleicht mit jemandem telefoniert?«
»Das nicht. Aber ich habe eine E-Mail geschrieben. Meine PR -Beraterin hatte einen Interviewtermin vereinbart, den ich noch bestätigen musste.« Er erhob sich und ging zum Schreibtisch.
Dühnfort folgte Wernegg und sah ihm über die Schulter, als der das Postausgangsfach des Mailprogamms öffnete und nach der E-Mail suchte. Sie war am Samstag um 20 : 37 : 29 MESZ verschickt
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