So unselig schön
gefragt und müssen mit meiner Antwort leben. Außerdem fordere ich Revanche.«
»Bitte?«
»Was war das Schlimmste, das Ihnen je passiert ist?«
Seine Hand fuhr unwillkürlich zum linken Ohr, prüfte, ob dieser Knopf, der vermutlich ein Hörgerät war, richtig saß. Dann strich er sich mit dem Finger über die Nasenwurzel. »Der Tod meiner Mutter. Sie ist bei einem Verkehrsunfall gestorben. Das war das Schlimmste. Es war so plötzlich … es war keine Zeit, sich zu verabschieden … letzte Worte zu sagen.«
Sie legte den Kopf schief. »Und was ist mit diesem Hörgerät?«
Er ließ die Hand sinken und lachte. »Das war auch nicht schön, aber nicht wirklich schlimm oder gar traumatisch. Es ist die Folge einer eitrigen Mittelohrentzündung.«
Vicki nahm sich ein Stück Baguette und bestrich es mit Butter. »Und ich dachte schon, jemand hätte Ihnen mal ordentlich eine gescheuert. Im Heim gab’s einen Jungen, den Oliver, der war fast taub auf einem Ohr, weil sein Vater das mit den Ohrfeigen wörtlich genommen hat.«
Das Handy in Werneggs Sakkotasche begann zu klingeln. Er zog es hervor und sah auf das Display. »Entschuldigen Sie.«
Vicki war über die Unterbrechung froh. Das Gespräch war in eine Richtung gerutscht, die ihr nicht gefiel. Sie wollte nicht, dass er sauer auf sie wurde und dann vielleicht einen Rückzieher machte. Wernegg meldete sich, lauschte und sagte dann: »Hallo, Serge.«
Vicki rutschte vor Schreck das Baguette aus der Hand, es fiel auf den Boden. Sie bückte sich und tauchte mit rotem Kopf wieder auf. Das konnte ja wohl nur Buthler sein. Wernegg musterte sie verwundert.
Wenn Vicki das Gespräch richtig interpretierte, bot Buthler Wernegg ein Bild zum Kauf an, ein Vanitas-Motiv, das ein anderer Kunde abstoßen musste und das deshalb günstig zu haben war.
»Ja. Das passt gut. Dann bis dann.« Doch Wernegg beendete das Gespräch noch nicht. Buthler war offensichtlich noch nicht fertig.
»Welche Viktoria?«, fragte Wernegg verwundert.
Vicki verschluckte sich beinahe. Verdammter Mist! Hoffentlich kriegte er die Kurve zwischen Vicki und Viktoria nicht.
»Ach, die. Nein. Sie hat sich bisher nicht gemeldet.« Wernegg verabschiedete sich und steckte das Handy in die Sakkotasche, während der Kellner kam und die Vorspeise abräumte.
***
Dühnfort informierte Leyenfels über die Vermissung Jana Wittichs und äußerte seine Befürchtung, sie könnte sich in der Gewalt des Mannes befinden, der Svenja Lenhard und Nadine Pfaller ermordet hatte.
Der Staatsanwalt zögerte nicht lange und stellte Dühnfort vier weitere Ermittler zur Seite. Dies waren Sandra Gottwald, eine im Dienst ergraute und erfahrene Kollegin, Gerd Reiter, dessen gedrungene Gestalt den Eindruck unterschwelliger Aggressivität vermittelte, Moritz Russo, ein sehniger Mann, der in seiner Freizeit Triathlon trainierte, und Nicolas Stahl, den seine Frau vor zwei Monaten verlassen hatte und der sich seither in Arbeit vergrub.
Dühnfort wies die neuen Teammitglieder ein und versuchte dann Boos zu erreichen, was ihm nicht gelang. Sein Handy hatte keinen Empfang. Am Festnetzanschluss schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Dühnfort bat um Rückruf.
Die nächsten Stunden vergingen mit konzentrierter und angespannter Arbeit. Die Zeit saß ihnen im Nacken, und Dühnforts Befürchtung, Jana könnte bereits tot sein, arbeitete sich mit jeder Minute, die verging, mehr an die Oberfläche.
Meo, der zwischenzeitlich zum Team gestoßen war, bestätigte Danielas Angaben: Janas Handy hatte sich Freitagnacht um 22 . 04 Uhr in der Funkzelle im Bereich der Großmarkthalle abgemeldet.
Warum hatte Jana, die am liebsten auch noch unter der Dusche telefonieren würde, ihr Handy ausgeschaltet? Und wer sagte eigentlich, dass sie das getan hatte?
Dühnfort suchte Boris Kaden auf, einen pensionierten Richter des Finanzgerichts, zu dessen Mercedes das Kennzeichen gehörte, das Daniela Heppner sich notiert hatte. Er erfuhr, dass die Nummernschilder am späten Freitagnachmittag in der Tiefgarage eines Ärztehauses in der Prinzregentenstraße gestohlen worden waren, während Kaden einen Termin beim Orthopäden wahrgenommen hatte. Den Diebstahl hatte er umgehend angezeigt. Dem Pensionär waren weder ein schwarzer Punto noch ein silbernes Coupé noch verdächtig wirkende Personen aufgefallen, die sich in der Tiefgarage aufgehalten hatten oder ihm gefolgt waren.
Nachdem Dühnfort ins Präsidium zurückgekehrt war, suchte er Gina auf, die gerade ein
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