Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
Vom Netzwerk:
Beilhieben enthauptet. Vermutlich hat er dabei versucht, das Blut aufzufangen. Dass das nicht funktioniert, brauch ich dir wohl nicht zu erzählen. Der Tatort muss wie ein Schlachthaus ausgesehen haben. Vielleicht wurde der Täter über und über mit Blut bespritzt, was nicht seiner Vorstellung entsprach und ihn abgeschreckt hat. Das könnte auch eine Erklärung für die lange Pause sein.« Boos hielt einen Moment inne. »Der Drang zu töten lässt aber nicht nach«, fuhr er fort. »Der Mann steht unter Druck. Er recherchiert, plant, verfeinert sein Vorgehen und setzt es in die Tat um, als er dem Druck nicht länger standhält. Und nun klappt alles wie gewünscht. Das beflügelt. In sechs Jahren hat sich eine Menge angestaut. Die Befriedigung ist nur kurz, die Lust zu töten stark. Das Wochenende naht …« Boos ließ die Hände auf die Tischplatte sinken.
    Dühnfort störte am entworfenen Szenario etwas gewaltig. »Dann scheidet Lichtenberg aus. Er hat Metzger gelernt, die erste Tat wäre ihm nicht missglückt.«
    »Üblicherweise geht bei den ersten Taten eines Serienmörders einiges schief. Die Täter lernen. Sie verfeinern und vervollkommnen ihr Vorgehen«, erwiderte Boos.
    Trotzdem, dachte Dühnfort. Man beherrscht den Beruf, den man gelernt hat. Es sei denn, ungezügelter Hass hat den Täter beim ersten Mord die Kontrolle über seine Phantasie verlieren lassen.
    Wieder sah er Lichtenberg vor sich auf dem Sofa sitzen, die Arme über die Lehne gebreitet, selbstzufrieden, selbstsicher. Sah das Gemälde mit dem blutbesudelten Kind. Wenn Lichtenberg ihr Mann war, wiederholte er dann sein Trauma, zwang ihn etwas, diese Schrecken immer wieder zu durchleben, brauchte er dafür das Blut? Aber warum das eines Menschen, einer Frau?
    Die Tür zum Besprechungsraum wurde geöffnet. Ines Kausch, eine der Bürofeen, wie Gina die Mitarbeiterinnen, die den Kommissionen zuarbeiteten, nannte, kam herein und gab Dühnfort ein Zeichen. Schack war da.
    ***
    Normalerweise schmiedeten die Leute am Wochenende Urlaubspläne, die sie dann postwendend verwirklichen wollten. Deshalb gehörte der Montag zu den Tagen mit der höchsten Kundenfrequenz. Aber heute war nichts los, als wären alle urlaubsmüde oder über Nacht arm geworden.
    Henriette war beim Arzt, sie hatte sich den Fuß beim Wandern verknackst, und Steffen besorgte Kartuschen für die Drucker. Deshalb hatte Clara nun Zeit und Gelegenheit, ihren Ärger in Worte zu fassen. Nicht ganz unberechtigt, musste Vicki zugeben.
    Okay, das Berichtsheft war nicht vollständig. Der letzte Wocheneintrag fehlte. Aber deswegen musste Clara ja nicht gleich einen Aufstand machen. »Ich hole das nach.«
    »Das erwarte ich, und zwar umgehend. Was mir Sorgen macht, ist die Prüfung. Hast du denn überhaupt schon etwas gelernt?«
    Etwas schon, aber nicht genug. Irgendwie war die Woche so schnell vergangen, deshalb hinkte sie mit Sozialkunde hinterher, und auch mit diesem dämlichen Fach Kaufmännische Steuerung und Kontrolle war sie noch lange nicht durch. »Das Thema hatten wir doch erst. Mach dir keine Sorgen. Ich krieg das auf die Reihe.«
    Clara seufzte, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und legte das Kinn auf die ineinander verschränkten Hände. In ihrem Blick lag echte Besorgnis, und das rührte Vicki irgendwie. »Dein Engagement für das Kinderheim ist ja gut und schön, aber du solltest dabei deine Ausbildung nicht vernachlässigen. Und dann diese Sache mit der ermordeten Frau … Solche Bilder vergisst man nicht. Wenn dich das zu sehr belastet … eine Freundin von mir ist Therapeutin.«
    Beinahe hätte Vicki gelacht. Sie hatte weiß Gott schon Schlimmeres gesehen und war nicht zum Psycho geworden. Da sie sich jedoch über Claras Anteilnahme nicht lustig machen wollte, verkniff sie sich sowohl das Grinsen als auch eine entsprechende Bemerkung. »Ist nicht nötig. Ich komme schon klar damit. Gesehen habe ich sie ja eigentlich nicht richtig. Nur diese Hand …« Vicki atmete durch, verscheuchte das Bild. Außerdem musste sie jetzt eine verflixt enge Kurve kriegen.
    Sie brauchte Hilfe bei der Antragstellung, und nachdem Clara sich gerade über ihren Einsatz für die Kids mokiert hatte, würde es nicht leicht werden, sie davon zu überzeugen, ihr zu helfen.
    Erstaunlicherweise gelang das jedoch schnell. Vicki erzählte, wie gut die Gespräche mit Wernegg verlaufen waren und dass er die Reittherapie bezahlen würde, vielleicht sogar langfristig, wenn der Nutzen nachweisbar war. »Aber Jobst

Weitere Kostenlose Bücher