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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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die Arme, hielt sie wie der Vater, den sie nie gehabt hatte. »Dann lag das nicht an dir, sondern an ihr. Du bist das bemerkenswerteste und mit Sicherheit liebenswerteste Mädchen, das je in Bergstiefeln und Fliegerjacke in mein Büro gekommen ist.« Langsam näherte sich sein Mund ihrem, und sie ließ es zu, dass Jobst sie küsste. Verdammt!
    ***
    Am späten Nachmittag erhielt Dühnfort das Analyseergebnis aus der KTU . Beide Farbproben waren identisch. Bereits zwei Stunden später bot Lichtenbergs Anwesen nicht länger den Anblick ländlicher Idylle.
    Streifenwagen, Zivilfahrzeuge und die vier Busse, mit denen die Kollegen der Schutzpolizei, die bei der Durchsuchung halfen, gekommen waren, standen im Hof. Ein Dutzend Polizisten durchkämmte Wohnhaus, Atelier und Keller, ein weiteres Garagen, Scheune, Stadel und mehrere Schuppen, die sich auf dem etwa dreitausend Quadratmeter großen Gelände befanden. Alle suchten mit angespannter Konzentration nach Jana Wittich. Es war eine präzise, routinierte Tätigkeit, begleitet von der unausgesprochenen Sorge, die Frau nicht lebend zu finden.
    Mit Einbruch der Dunkelheit ließ der Regen nach, und die Wolkendecke lichtete sich. Sterne erschienen am stetig dunkler werdenden Nachthimmel.
    Lichtenberg fand das Spektakel amüsant. Lediglich die Durchsuchung des Ateliers versetzte ihn in Sorge um drei unvollendete Gemälde. Die Farbe war noch feucht, die Bilder daher leicht zu beschädigen. Er umkreiste sie wie ein Muttertier seine Jungen, während Dühnfort und Gina den Raum durchforsteten.
    Als sie damit fertig waren und Gina ankündigte, sie werde sich jetzt mit den Kollegen den Keller vornehmen, ließ Lichtenberg sich erleichtert aufs abgewetzte Sofa fallen. »Meine Herren! Welch ein Wirbel!« Als könne er die Verletzung seiner Privatsphäre trotz seiner spöttischen Haltung nicht fassen, schüttelte er den Kopf. »Und welch eine Verschwendung von Ressourcen. Menschlicher und pekuniärer Art. Ich brauche jetzt einen Drink.« Er stützte die Hände auf die muskulösen Oberschenkel und schnellte in die Höhe. Aus dem Schrank in der Ecke zog er ein Glas, schenkte sich eine bernsteinfarbene Flüssigkeit ein und nahm wieder auf der Couch Platz.
    Mit dem Rücken vor einer Staffelei stehend, beobachtete Dühnfort Lichtenberg, der das Glas in einem Zug leerte und hart auf dem überfüllten Couchtisch absetzte. »So idiotisch ich diese Aktion auch finde, es interessiert mich doch, wie es dazu gekommen ist. Ist mein Alibi nicht bestätigt worden?«
    Dühnfort setzte sich in einen der Sessel. »Der Journalist, mit dem Sie sich Freitagabend getroffen haben, hatte einen Unfall. Er ist noch nicht in der Lage, eine Aussage zu machen.« Dühnfort griff nach einer der Farbtuben, die auf dem Tisch lagen. Elfenbeinschwarz. »Am Handgelenk von Nadine Pfaller haben wir Spuren von Künstlerölfarbe gefunden. Kadmiumgelb. Und zwar nicht irgendeines, sondern das Gelb, das Sie verwenden.«
    Lichtenberg beugte sich vor. »Das soll ein Beweis sein? Die Farben dieses Herstellers können Sie in jedem besser sortierten Bastelgeschäft kaufen. Tausende frustrierter Hausfrauen malen damit an ihren Volkshochschulkursbildchen.« Lachend ließ er seinen mächtigen Oberkörper zurück ins Polster fallen.
    Dühnfort drehte die Tube zwischen den Fingern. »Wir hatten Schwierigkeiten, sie in einem Bastelgeschäft aufzutreiben. Diese Serie des Herstellers wird nur über den Fachhandel vertrieben.«
    »Na und? Bin ich etwa der einzige Kunde?«
    »Außerdem spielt ein silberfarbenes Coupé eine entscheidende Rolle in den Ermittlungen. Wir werden Ihr Fahrzeug kriminaltechnisch untersuchen lassen.«
    Wie schon am Sonntag breitete Lichtenberg die Arme aus und legte sie über die Rückenlehne. »Von mir aus. Ich fahre solange Taxi und schicke Ihnen die Quittungen zur Begleichung.«
    Ein Stapel von drei Bildbänden über Carnes Werdegang lag auf dem Tisch. Der Künstler hatte für Nachschub gesorgt, nachdem er ihnen am Samstag ein Buch geschenkt hatte. Eitelkeit, Stolz auf das Erreichte oder beides, fragte Dühnfort sich. »Ich habe es mir inzwischen angesehen«, sagte Dühnfort und wies auf den Folianten. »Ihr Leben bietet Stoff für einen Roman oder Film.«
    »Es gibt schlimmere Schicksale. Auch wenn meines sicherlich dramatisch und spektakulär ist.«
    »Eines ist mir nicht klar geworden. Nach dem Tod Ihres Vaters hat Ihre Mutter Selbstmord begangen. Sie muss sich doch befreit gefühlt haben, diesen Despoten los zu

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