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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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und Innereien, die dort lagen, sich zu winden schienen wie Getier. Wie konnten Eltern ihrem Kind Derartiges antun?
    Lichtenberg nahm seine Verhaftung sichtlich amüsiert auf, meinte, sie sei für einen kreativen Menschen eine bereichernde Erfahrung, die sicher irgendwann künstlerische Bearbeitung erfahren würde.
    Er wirkte so selbstsicher, als hätte er nichts zu verbergen. Vielleicht war er aber auch nur ein guter Schauspieler.
    Kurz nach drei Uhr schloss Dühnfort die Tür zu seiner Wohnung auf. Sie war dunkel und still. Mit einem Glas Wein setzte er sich auf den Balkon, betrachtete den sternenklaren Himmel, atmete die laue Luft, nahm Stimmen wahr, die schwach vom Friedhof zu ihm heraufdrangen. Sicher ein paar Penner, die, wie er, noch nicht schlafen konnten.
    Zweieinhalb Stunden Befragung hatte Lichtenberg durchgestanden, ohne ein einziges Mal unsicher zu werden, ohne sich in irgendeinem Punkt zu widersprechen. Schließlich hatte er erklärt, er würde jetzt kein Wort mehr sagen, da er müde sei und der Erfahrung entgegenfiebere, in einer Zelle zu übernachten.
    Wo war Jana? War sie bereits tot? Dühnfort wollte diese Vorstellung nicht zulassen. Was, wenn sie der falschen Spur folgten? Wieder stellte sich das Gefühl ein, etwas übersehen, vergessen zu haben. Irgendetwas hatte er nachprüfen wollen. Nur was? Er grübelte, aber es fiel ihm nicht ein. Das wurde langsam zu einer fixen Idee. Er stand auf und ging zu Bett.
    Ein Hauch von Apfelduft stieg aus seiner Erinnerung auf. Ein Anflug von Glück, ein leichter Schmerz, das Bild eines Glases, das einen Sprung bekam.

D IENSTAG , 15. J UNI
    Die Sonne schien. Das Straßenpflaster dampfte, und der Himmel strahlte wie frisch gewaschen, als Dühnfort kurz vor sieben die Stufen zum Präsidium hinaufging.
    Nachdem er die Jacke aufgehängt, den Rechner gestartet und die Espressomaschine angeschaltet hatte, sah er in die Ablage. Noch nichts von der KTU . Die Untersuchung von Lichtenbergs BMW würde sicher noch bis Mittag dauern. Das Anwesen des Malers wurde bereits weiter durchkämmt. Die Namenslisten lagen vor, und Moritz Russo koordinierte das Einholen von Handschriftenproben, während Alois weiter dem Hinweis nachging, der Lichtenberg in Verbindung mit den Prostituierten an der Schäftlarnstraße brachte.
    Dühnfort lief über den Flur zum Büro von Alois und Gina und stieß in der Tür beinahe mit ihr zusammen. Sie wedelte mit einem Blatt Papier in der Hand. »Der Tag fängt gar nicht so schlecht an. Das hat mir ein netter Kollege von Diebstahl in die Hand gedrückt. Fuhrmanns Jaguar wurde geklaut. Das glaube ich ja niemals. Wetten, den hat er verschwinden lassen?«
    Da auch Dühnfort nicht an Zufälle glaubte, stoppte er um zwanzig vor acht seinen Wagen in Bogenhausen vor dem Haus René Fuhrmanns. Es war eine toskanagelbe Villa mit Walmdach, Sprossenfenstern und angebauter Doppelgarage, auf deren Vorplatz ein Mercedes und ein BMW Cabrio standen. Die Haustür wurde von zwei Steinlöwen bewacht. Dühnfort klingelte.
    Einen Moment später öffnete eine auffällig magere Frau. Der Kopf mit den großen Augen wirkte auf dem ausgehungerten Körper übergroß. Kinderproportionen, dachte Dühnfort. Schwarze Haare fielen ihr verstrubbelt ins ungeschminkte Gesicht. Sie trug einen Schlafanzug mit kurzer Hose und Trägertop, unter dem die Schlüsselbeine hervorstanden, und darüber einen offenen Morgenmantel aus cremefarbener Seide.
    Fragend musterte sie ihn.
    »Frau Fuhrmann? Dühnfort. Kripo München.«
    Sie gähnte und hielt sich dabei die Hand vor den Mund, bevor sie fragte: »Geht es um Renés Wagen?«
    »Kann ich Ihren Mann sprechen?«
    Zögernd trat sie zur Seite und ließ ihn ein. »Haben Sie das Auto gefunden?«
    Er folgte ihr durch den Hausflur in eine modern ausgestattete Küche. »Bis jetzt nicht.«
    Granit, Edelstahl und Edelholzfronten. Eine Kaffeemaschine röchelte neben dem Ceranfeld, auf dem ein Topf mit Milch jeden Augenblick überzukochen drohte. Mit einem energischen Griff zog Dühnfort ihn beiseite.
    Die Frau fuhr zusammen und dankte ihm dann lächelnd, als sie erkannte, was die Ursache dieser hektischen Bewegung gewesen war. »René zieht sich gerade an und wird gleich kommen. Wollen Sie solange eine Tasse Kaffee?«
    »Gerne.« Dühnfort sah sich um, während sie zwei Schalen aus dem Schrank nahm und halbvoll goss. »Café au Lait?«
    Er nickte.
    »Vermutlich ist der Jaguar längst in Polen oder der Ukraine. Den werden wir wohl nicht wiedersehen.«
    »Haben

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