So unwiderstehlich reizvoll
gewähnt.
„Dios!“ Überwältigt blieb er auf der Schwelle stehen und schloss die Augen.
Juliet betrachtete ihn feindselig. „Was soll das übertriebene Getue? Meinen Sie vielleicht, mir ist es angenehm, hier mit Ihnen allein zu sein?“
„Es sind die Bilder.“
„Sind es Werke Ihrer Mutter?“ Juliet trat näher. „Auch diese Aquarelle?“
Raphael nickte. „Sie liebte Italien, und die Toskana ganz besonders.“ Er war immer noch erschüttert, und seine Stimme klang wie von weit her. „Wir haben lange dort gelebt, ich war damals noch ganz klein.“
Nachdenklich sah Juliet ihn von der Seite an. „Wie alt waren Sie eigentlich, als Ihre Mutter starb?“ Hastig korrigierte sie sich. „Sie brauchen mir nicht zu antworten, es geht mich nichts an.“
„Ich war sieben“, antwortete er ausdruckslos. „Da ich keine anderen Verwandten hatte, schickten mich die Behörden zu meiner Großmutter nach England. Zuerst hasste ich das Land, es war so kalt.“
Juliet empfand tiefes Mitgefühl für den kleinen Jungen, der nicht nur völlig unerwartet die Mutter verloren hatte, sondern dessen ganzes Leben plötzlich auf den Kopf gestellt wurde. Wo wohl sein Vater zu der Zeit gewesen war? Sie traute sich jedoch nicht, danach zu fragen.
„Aber die Bilder …“, begann sie vorsichtig. „Wenn sie hier hängen, dann …“
„Das ist es ja eben“, unterbrach Raphael sie. „Als ich vor knapp einer Woche das letzte Mal in diesem Raum war, standen hier nur Bücher, von Bildern keine Spur. Was hier von mir an der Wand hängt, sind meine ersten Versuche, die ungefähr fünfzehn Jahre alt sein dürften.“
„Und was geschah damals damit?“
„Ein Rechtsanwalt aus Bodmin rief mich an und sagte, er habe über Bekannte erfahren, dass ich male, und er interessiere sich für meine Bilder. Er sah sie sich an, behauptete, sie gefielen ihm, und kaufte alle.“
„Warum soll er das nur behauptet haben? Bestimmt mochte er sie wirklich. Sie sind viel zu selbstkritisch.“
„Sie verstehen nicht!“ Wütend stieß er sich mit dem Fuß vom Türrahmen ab und ging ruhelos auf und ab. „Es war eine Finte, der Mann handelte im Auftrag Lady Elinors. Ich lebte zu der Zeit noch hier auf Tregellin und hatte mir im alten Kutscherhaus ein provisorisches Atelier eingerichtet. Schon damals hat die alte Dame meine Arbeit nicht ernst genommen und sich stets lustig darüber gemacht. So hat sie es auch früher mit meiner Mutter gemacht, die genau aus diesem Grund nicht nach England zurückkehren wollte.“ Juliet runzelte die Stirn. „Aber ließ Lady Elinor die Bilder dann aufkaufen?“
„Wer weiß? Vielleicht spekulierte sie darauf, dass ich eines Tages doch Berühmtheit erlangen würde. Dann hätte sie triumphieren und behaupten können, mein Talent als Erste erkannt zu haben.“ Er schnaufte verächtlich. „Und wenn nicht, hätte sie eben von dem Kauf niemandem etwas verraten.“
„Wie bin ich froh, in keine dieser Familienintrigen verwickelt zu sein.“
„Wenn Sie Cary heiraten, sind Sie es.“ Er blieb vor ihr stehen und zeichnete mit dem Finger sanft die Kontur ihrer Oberlippe nach. „Wollen Sie diesen armseligen Typen wirklich heiraten?“
„Er ist kein armseliger Typ!“, widersprach sie hitzig. „Sie sind überhaupt nicht in der Lage, Cary zu beurteilen.“ Mit jeder Faser ihres Körpers reagierte Juliet auf die zarte Berührung. Ihre innere, warnende Stimme ignorierend, blieb sie reglos stehen.
„Sagen Sie mir doch endlich die Wahrheit“, forderte er sie leise auf. „Für mich haben Sie nichts übrig, das sehe ich Ihnen an. Was aber fasziniert Sie an Cary? Was lieben Sie an ihm? Seine Persönlichkeit? Sein Aussehen? Etwas anderes?“
Das ging Raphael nichts an. Juliet schwieg.
„Was ist los mit Ihnen? Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?“ Raphael fand sein Benehmen selbst unmöglich. Wie brachte Juliet es nur immer fertig, seinen schlechtesten Eigenschaften zum Durchbruch zu verhelfen? Noch dazu hatte ihn der Anblick der Bilder aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht – was aller Wahrscheinlichkeit genau Lady Elinors Absicht entsprach.
Obwohl die Vernunft ihm riet, lieber zu schweigen, ließ er sich zu weiteren provozierenden Äußerungen hinreißen. „Für eine frisch verliebte Braut haben Sie auffallend wenig zu den Qualitäten Ihres Auserwählten zu sagen. Wo waren Ihre Gedanken, als ich Sie küsste und Ihre Brüste streichelte? Bei Cary?“
„Hören Sie endlich auf damit!“ Sie stemmte die
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