So wahr uns Gott helfe
war.
Bosch stützte beide Unterarme auf den Tisch und lehnte sich zu mir vor.
»Sie haben doch sicher schon von den berühmten achtundvierzig Stunden gehört?«
»Wie bitte?«
»Die Chancen, einen Mord aufzuklären, verringern sich täglich fast um die Hälfte, wenn er nicht innerhalb der ersten achtundvierzig Stunden aufgeklärt wurde.«
Er blickte auf die Uhr, bevor er fortfuhr:
»Ich bin schon fast bei zweiundsiebzig Stunden und habe immer noch nichts in der Hand. Keinen Verdächtigen, keine brauchbare Spur, nichts. Und ich hatte gehofft, Ihnen heute Abend etwas entlocken zu können. Etwas, das mir zumindest eine grobe Richtung vorgegeben hätte.«
Ich betrachtete ihn und versuchte zu verdauen, was er gerade gesagt hatte. Endlich fand ich die Sprache wieder.
»Sie haben allen Ernstes geglaubt, ich wüsste, wer Jerry umgebracht hat, und würde es Ihnen nicht sagen?«
»Das war eine Möglichkeit, die ich in Betracht ziehen musste.«
»Sie haben echt den Arsch offen, Bosch.«
In diesem Moment kam der Kellner mit unseren Steaks und den Spaghetti. Als er die Teller auf den Tisch stellte, musterte mich Bosch mit einem wissenden Lächeln. Der Kellner erkundigte sich, ob er uns noch etwas bringen dürfte, und ich winkte ab, ohne den Blickkontakt mit Bosch abreißen zu lassen.
»Sie haben echt Nerven«, fuhr ich fort. »Sie hocken hier und können tatsächlich noch lächeln, obwohl Sie mir gerade unterstellt haben, Beweise oder Kenntnisse über einen Mord verschwiegen zu haben. Über einen Mord an jemandem, den ich sehr gut kannte.«
Bosch blickte auf sein Steak hinab, griff nach Messer und Gabel und schnitt hinein. Mir fiel auf, dass er Linkshänder war. Er schob sich ein Stück Fleisch in den Mund und sah mich beim Essen an. Seine Fäuste ruhten zu beiden Seiten des Tellers, Messer und Gabel fest im Griff, als wolle er das Essen vor Räubern schützen. Viele meiner Mandanten, die einmal im Gefängnis gewesen waren, aßen genauso.
»Jetzt regen Sie sich mal wieder ab«, beschwichtigte er. »Sie müssen bei der ganzen Sache eines bedenken. Ich bin es nicht gewohnt, gemeinsame Sache mit einem Strafverteidiger zu machen. Erfahrungsgemäß versuchen Anwälte immer, mich als dumm, korrupt, bigott und was weiß ich noch alles hinzustellen. Ja, ich habe versucht, Sie auszutricksen, weil ich hoffte, es würde mir helfen, einen Mordfall zu lösen. Und dafür entschuldige ich mich tausendmal. Wenn Sie möchten, lasse ich mir mein Steak einpacken und nehme es mit nach Hause.«
Ich schüttelte den Kopf. Bosch hatte wirklich eine Gabe, es immer so hinzudrehen, dass man wegen seiner Verfehlungen ein schlechtes Gewissen bekam.
»Vielleicht sind jetzt Sie derjenige, der sich erst mal wieder abregen sollte«, gab ich zurück. »Alles, was ich sagen will, ist, dass ich von Anfang an offen und ehrlich zu Ihnen war. Ich habe die Grenzen dessen, was mir mein Berufsethos erlaubt, sehr weit gesteckt. Und ich habe Ihnen alles mitgeteilt, was ich irgendwie vertreten konnte. Ich habe es nicht verdient, einen solchen Schrecken eingejagt zu bekommen, wie Sie das heute Abend getan haben. Und Sie können wirklich von Glück reden, dass ich Ihrem Mann nicht in die Brust geschossen habe, als er an der Tür der Kanzlei stand. Er hat ein hervorragendes Ziel abgegeben.«
»Sie hätten eigentlich keine Waffe haben dürfen. Ich habe mich extra vorher vergewissert.«
Bosch begann wieder zu essen und hielt den Kopf gesenkt, während er sich über das Steak hermachte. Er nahm mehrere Bissen davon, dann wandte er sich der Spaghettibeilage zu. Er war keiner, der die Nudeln aufdrehte. Vielmehr hackte er sie mit der Gabel klein, bevor er sich eine Ladung davon in den Mund schaufelte. Als er alles hinuntergeschluckt hatte, sprach er weiter.
»Nachdem das also geklärt ist, werden Sie mir helfen?«
Ich ließ den Atem mit einem Lachen entweichen.
»Soll das ein Witz sein? Haben Sie mir eigentlich zugehört?«
»Ja, ich habe alles sehr genau gehört. Und nein, das soll kein Witz sein. Wir haben es hier nach wie vor mit einem toten Anwalt zu tun, Ihrem Kollegen, und ich kann Ihre Hilfe brauchen.«
Ich schnitt mein erstes Stück Steak herunter. Nun ließ ich ihn warten, bis ich fertig gekaut hatte.
Viele behaupten, man bekommt im Dan Tana’s die besten Steaks der Stadt. Zählen Sie mich zu diesen vielen. Ich wurde bisher noch nie enttäuscht. Daher ließ ich mir Zeit, genoss den ersten Bissen und legte schließlich meine Gabel beiseite.
»Welche
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