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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Geschworenen teilnahm, wäre er nicht nur mit den rechtlichen Fragen vertraut, sondern wüsste auch über die absolute Underdogstellung der Verteidigung Bescheid. Das ließe ihn zum einen mit meiner Seite sympathisieren, zum anderen machte es ihn zum aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt des Geschworenenobmanns, der von den anderen Geschworenen zu ihrem Sprecher gewählt wurde. Wenn sich die Geschworenen am Ende des Prozesses zur Beratung zurückzogen, um zu einer Entscheidung zu gelangen, wäre der Anwalt derjenige, an dem sie sich am ehesten orientieren würden. War er rot, zog oder schob er wahrscheinlich viele in der Jury zu einem »Nicht schuldig«. Zumindest aber wäre er es seinem Selbstverständnis als Anwalt schuldig, auf die Richtigkeit seines Urteils zu pochen und entsprechend dafür einzutreten. Im Notfall konnte er allein gegen die übrigen Geschworenen stimmen und meinen Mandanten damit vor einer Verurteilung bewahren.
    Angesichts dessen, dass Geschworener Nummer drei nicht einmal dreißig Minuten lang auf die Fragen des Richters und der Anwälte geantwortet hatte, setzte ich damit natürlich sehr viel auf eine Karte. Aber genau darauf lief es bei der Auswahl der Geschworenen letztlich hinaus. Rasche, aus dem Bauch heraus getroffene Entscheidungen, die sich auf Erfahrung und scharfe Beobachtung stützten.
    Das bedeutete, dass ich die zwei Lemminge auf der Geschworenenbank lassen würde. Ich hatte noch eine Unbegründete übrig, und ich wollte sie für den Geschworenen sieben oder den Geschworenen zehn verwenden. Den Techniker oder den Rentner.
    Ich bat den Richter um Erlaubnis, mich kurz mit meinem Mandanten zu beraten. Dann wandte ich mich an Elliot und schob ihm meine Tabelle hin.
    »Jetzt ist es so weit, Walter. Wir haben noch einen letzten Freischuss. Was meinen Sie? Ich glaube, Nummer sieben und zehn sind kritische Fälle, aber wir können nur einen von beiden rauswerfen.«
    Elliot war die ganze Zeit voll bei der Sache gewesen. Seit am Morgen davor die ersten zwölf Kandidaten auf der Geschworenenbank Platz genommen hatten, hatte er sich sehr engagiert und intuitiv zu jedem Geschworenen geäußert, den ich von der Liste hatte streichen wollen. Allerdings hatte er noch nie Geschworene ausgewählt. Ich schon. Ich hörte mir seine Kommentare an, entschied aber letztlich so, wie ich es für richtig hielt. Bei der letzten Ablehnung musste ich auf mein Glück vertrauen. Jeder der beiden Kandidaten konnte sich für die Verteidigung als nachteilig erweisen. Jeder konnte sich als Lemming entpuppen. Es war eine schwere Entscheidung, und ich war versucht, den Instinkt meines Mandanten den Ausschlag geben zu lassen.
    Elliot tippte mit dem Finger auf das Feld mit dem Geschworenen Nummer zehn. Der pensionierte technische Redakteur eines Spielzeugherstellers.
    »Ihn«, sagte er. »Werden Sie ihn los.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja, ganz sicher.«
    Ich blickte auf das Raster. Auf Feld zehn war viel Blau, aber genauso viel war auf Feld sieben. Der Ingenieur.
    Mein Gefühl sagte mir, dass der technische Redakteur ähnlich gestrickt war wie der Gärtner. Er wollte unbedingt Geschworener werden, aber wahrscheinlich aus gänzlich anderen Gründen. Ich vermutete, er wollte seine Erlebnisse im Gerichtssaal als Grundlage für ein Buch oder vielleicht auch ein Drehbuch verwenden. Er hatte sein ganzes Berufsleben lang Bedienungsanleitungen für Spielsachen verfasst. Während des Auswahlverfahrens war ihm möglicherweise klargeworden, dass er während seiner Pensionierung versuchen könnte, Romane zu schreiben. Und es gab nichts Besseres als einen Sitz in der ersten Reihe bei einem Mordprozess, um Fantasie und Kreativität zu beflügeln. Für ihn mochte das angehen, aber nicht für Elliot. Ich wollte niemanden, der scharf darauf war, in meinem Prozess auf der Geschworenenbank zu sitzen. Egal, aus welchem Grund.
    Geschworener sieben war aus einem anderen Grund blau. Er hatte als Beruf Luftfahrtingenieur angegeben. Die Branche, in der er tätig war, war in Südkalifornien breit vertreten, weshalb mir im Lauf der Jahre beim voir dire schon einige Ingenieure zur Auswahl gestanden hatten. Ingenieure waren politisch und religiös generell konservativ, zwei sehr blaue Eigenschaften, und sie arbeiteten für Firmen, die in hohem Maß auf staatliche Aufträge und Subventionen angewiesen waren.
    Und was vielleicht das Wichtigste war, die Welt von Ingenieuren war häufig sehr stark von Logik und Rationalität bestimmt. Prinzipien,

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