So wahr uns Gott helfe
die sich nicht unbedingt auf eine Straftat, einen Tatort oder auch das Strafrechtssystem als Ganzes anwenden ließen.
»Ich weiß nicht«, zweifelte ich. »Ich finde, wir sollten den Ingenieur streichen.«
»Nein, ihn mag ich. Das war schon von Anfang an so. Der Blickkontakt mit ihm ist sehr positiv. Ich möchte, dass er bleibt.«
Ich drehte mich von Elliot zur Geschworenenbank und ließ den Blick von Geschworenem sieben zu Geschworenem zehn wandern und wieder zurück. Ich hoffte auf ein Zeichen, einen Hinweis, der mir die Wahl erleichterte.
»Mr. Haller«, rief Richter Stanton. »Möchten Sie von Ihrer letzten Ablehnungsmöglichkeit Gebrauch machen, oder sind Sie mit der gegenwärtigen Zusammensetzung der Jury einverstanden? Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie daran erinnern, dass es schon spät ist und wir noch die Ersatzleute wählen müssen.«
Mein Handy summte, während der Richter mich ermahnte.
»Äh, einen Augenblick bitte, Euer Ehren.«
Ich wandte mich wieder Elliot zu und beugte mich zu ihm hinüber, als wollte ich ihm etwas zuflüstern. Aber in Wirklichkeit holte ich mein Handy heraus.
»Meinen Sie wirklich, Walter?«, flüsterte ich. »Der Kerl ist Ingenieur. Er könnte uns Ärger machen.«
»Hören Sie, ich lebe davon, dass ich Leute durchschaue und Risiken eingehe«, zischte Elliot zurück. »Ich will diesen Mann in der Jury haben.«
Ich nickte und linste auf mein Handy hinab, das ich zwischen den Beinen hielt. Es war eine SMS von Favreau.
FAVREAU: 10 streichen. Täuscht etwas vor. 7 passt ins Profil der Anklage, aber ich sehe guten Blickkontakt und offenes Gesicht. Ihm gefällt deine Story. Und er mag deinen Mandanten.
Blickkontakt. Das gab den Ausschlag. Ich schob das Handy in die Tasche zurück und erhob mich. Elliot packte mich am Ärmel meines Jacketts. Ich beugte mich zu ihm hinab, und er fauchte mir ins Ohr.
»Was haben Sie vor?«
Ich schüttelte seine Hand ab, weil mir nicht gefiel, wie er mich in aller Öffentlichkeit zu gängeln versuchte. Dann richtete ich mich wieder auf und blickte den Richter an.
»Euer Ehren, die Verteidigung möchte sich bei dem Geschworenen Nummer zehn bedanken und ihn von seiner Pflicht entbinden.«
Als der Richter den technischen Redakteur entließ und einen neuen Kandidaten auf den zehnten Platz auf der Geschworenenbank rief, setzte ich mich und wandte mich Elliot zu.
»Walter, packen Sie mich im Beisein der Geschworenen nie mehr so am Arm. Das lässt Sie wie ein ausgemachtes Arschloch dastehen, und ich habe ohnehin schon genügend Mühe, sie davon zu überzeugen, dass Sie kein Mörder sind.«
Dann kehrte ich ihm den Rücken zu, um zu sehen, wie der nächste und wahrscheinlich letzte Geschworene den freien Platz auf der Geschworenenbank einnahm.
TEIL VIER
Die Untiefen der Seele
In den Fußstapfen eines Toten
Anwalt übernimmt Fall eines ermordeten Kollegen; der Prozess des Jahrzehnts
Von Jack McEvoy, Redaktionsmitglied der Times
D ie eigentliche Herausforderung bestand nicht in den einunddreißig Fällen, die ihm in den Schoß fielen. Es war der große Prozess mit dem prominenten Mandanten, bei dem so viel auf dem Spiel steht. Strafverteidiger Michael Haller tritt in die Fußstapfen des vor zwei Wochen ermordeten Anwalts Jerry Vincent und steht plötzlich im Mittelpunkt des sogenannten Prozesses des Jahrzehnts.
Heute erfolgen die ersten Zeugenaussagen im Prozess gegen Walter Elliot, den 54-jährigen Präsidenten von Archway Studios, der beschuldigt wird, vor sechs Monaten in Malibu seine Frau und deren mutmaßlichen Liebhaber ermordet zu haben. Haller übernahm den Fall, nachdem Jerry Vincent, 45, in Los Angeles erschossen in seinem Auto aufgefunden worden war.
Vincent hatte verfügt, dass im Falle seines Todes seine Kanzlei an Haller übertragen würde. Haller, der sich ein Jahr lang eine Auszeit genommen hatte, legte sich am Abend mit null Fällen schlafen und wachte am nächsten Morgen mit einunddreißig neuen Mandanten auf.
»Ich habe mich natürlich darauf gefreut, wieder ins Berufsleben einzusteigen, aber mit so etwas hätte ich nicht gerechnet«, erklärte Haller, der 42-jährige Sohn des verstorbenen Michael Haller sr., eines legendären Strafverteidigers in Los Angeles während der 50er- und 60er-Jahre. »Jerry Vincent war ein Freund und Kollege, und ich stände lieber wieder ohne Fälle da, wenn er dafür noch am Leben wäre.«
Die Ermittlungen im Mordfall Vincent laufen weiterhin auf Hochtouren. Doch bisher
Weitere Kostenlose Bücher