So wahr uns Gott helfe

kam es zu keiner Festnahme, und laut Aussagen der Ermittler gibt es auch keine Verdächtigen. Vincent wurde zweimal in den Kopf geschossen, während er im Parkhaus neben seiner Kanzlei am Broadway in seinem Wagen saß.
    Nach Vincents Tod ging die gesamte Kanzlei des ermordeten Anwalts an Haller über. Für Haller bedeutete dies zunächst, mit den Ermittlern zusammenzuarbeiten, soweit dies seine anwaltliche Schweigepflicht zuließ. Anschließend musste er eine Bestandsaufnahme seiner Fälle vornehmen und sich mit allen aktuellen Mandanten in Verbindung setzen. Dabei kam es schnell zur ersten Überraschung. Einer von Vincents Mandanten hatte am Tag nach dem Mord einen Gerichtstermin.
    »Meine Mitarbeiter und ich waren gerade dabei, alle laufenden Fälle zu sichten, als wir feststellten, dass Jerry – und damit natürlich ich als sein Nachfolger – noch am selben Tag einen Mandanten bei einer Urteilsverkündung vertreten musste«, erklärte Haller. »Ich ließ alles stehen und liegen und fuhr auf schnellstem Weg ins Criminal Courts Building, um dem Mandanten zur Seite zu stehen.«
    Nach Erledigung dieses einen Falls galt es jedoch sofort, dreißig weitere laufende Fälle zu bearbeiten. Jeder Mandant auf dieser Liste musste kontaktiert, über Vincents Tod informiert und auf die Möglichkeit hingewiesen werden, sich entweder einen neuen Anwalt zu suchen oder weiter Hallers Dienste in Anspruch zu nehmen.
    Lediglich eine Handvoll Mandanten entschied sich dafür, sich nach einem anderen Rechtsbeistand umzusehen, die Mehrzahl der Fälle blieb Haller erhalten. Mit Abstand der größte und spektakulärste darunter ist der »Mord in Malibu«-Fall, der in der Öffentlichkeit für großes Aufsehen gesorgt hat. Der Prozess soll auf Court TV landesweit live übertragen werden. Unter den Medienvertretern, die sich Plätze im Gerichtssaal haben reservieren lassen, ist auch Dominick Dunne, der bekannte Gerichtsreporter von »Vanity Fair«.
    An die Übernahme des Falls war eine wichtige Bedingung geknüpft. Elliot war nur bereit, Haller das Mandat zu erteilen, wenn dieser sich verpflichtete, den Prozesstermin nicht zu verschieben.
    »Walter Elliot ist unschuldig und hat das auch vom ersten Tag an beteuert«, erklärte Haller der Times in seinem ersten Interview seit der Übernahme des Falls. »Es ist in dem Verfahren schon früh zu Verzögerungen gekommen, und er wartet jetzt schon seit sechs Monaten auf die Gelegenheit, endlich vor Gericht seine Unschuld unter Beweis zu stellen. Er wollte auf keinen Fall einen weiteren Aufschub, und ich konnte ihm da nur zustimmen. Warum warten, wenn man unschuldig ist? Wir arbeiten fast rund um die Uhr, um beim Prozess gut vorbereitet zu sein, und ich glaube, das sind wir.«
    Die Prozessvorbereitungen gestalteten sich jedoch keineswegs einfach. Vincents Mörder hat den Aktenkoffer des Anwalts, der Vincents Laptop und seinen Terminkalender enthielt, aus seinem Auto gestohlen.
    »Den Terminkalender zu rekonstruieren war nicht allzu schwierig, aber der Laptop war ein herber Verlust«, bedauerte Haller. »Denn dort hatte Jerry Vincent alle Daten zu dem Fall sowie seine Verteidigungsstrategie gespeichert. Die Akten, die wir in der Kanzlei gefunden haben, waren unvollständig. Wir brauchten dringend den Computer, und zuerst glaubte ich, ohne die darauf gespeicherten Unterlagen wären wir chancenlos.«
    Doch dann entdeckte Haller etwas, das dem Mörder entgangen war. Vincent hatte auf einem digitalen Flash Drive an seinem Schlüsselbund eine Sicherungskopie gespeichert. Beim Durchforsten der Daten stieß Haller auf Elemente der Verteidigungsstrategie für den Elliot-Prozess. Letzte Woche fand die Auswahl der Geschworenen statt, und wenn heute die ersten Zeugen vor Gericht aussagen, ist Haller seinen eigenen Aussagen zufolge bestens vorbereitet.
    »Ich glaube nicht, dass Mr. Elliot bei seiner Verteidigung mit irgendwelchen Nachteilen zu rechnen hat«, befand Haller. »Wir sind bestens vorbereitet und können jederzeit loslegen.«
    Elliot reagierte nicht auf Anrufe, in denen er um eine Stellungnahme dazu gebeten wurde, und vermied es, mit den Medien zu sprechen. Einzige Ausnahme bildete die Pressekonferenz nach seiner Festnahme, in der er vehement jede Beteiligung an den Morden bestritt und den Verlust seiner Frau beklagte.
    Nach Darstellung der Ankläger und der Ermittler des Los Angeles County Sheriff’s Department hat Elliot seine Frau Mitzi, 39, und Johann Rilz, 35, in einem Wutanfall getötet, nachdem