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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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in der Regel waren es lohnende Mandanten gewesen, die mindestens eine von drei Eigenschaften besaßen: Sie konnten gutes Geld für rechtlichen Beistand zahlen; sie waren nachweislich unschuldig; oder sie waren zwar eindeutig schuldig, hatten aber aus irgendwelchen Gründen die Sympathien der Öffentlichkeit auf ihrer Seite. Also alles Klienten, für die er bedenkenlos eintreten konnte, was immer ihnen angelastet wurde. Fälle, für die er sich hinterher nicht zu schämen brauchte.
    Und Walter Elliot erfüllte zumindest eines dieser drei Kriterien. Als Boss von Archway Pictures war er einer der Mächtigen und Reichen in Hollywood. Er war angeklagt, seine Frau und deren Liebhaber im Affekt ermordet zu haben, nachdem er sie in seinem Strandhaus in Malibu in flagranti ertappt hatte. Vor allem aufgrund der Faktoren Sex und Prominenz hatte der Fall in den Medien für enormes Aufsehen gesorgt. Für Vincent war es eine hervorragende Werbung gewesen, und jetzt wäre das alles zu vergeben.
    Die Richterin riss mich aus meinen Träumereien.
    »Sind Sie mit Paragraf zweihundertdreißig in den Statuten der kalifornischen Anwaltskammer vertraut?«, fragte sie.
    Unwillkürlich kniff ich die Augen zusammen.
    »Äh, nicht wirklich.«
    »Dann lassen Sie mich Ihr Gedächtnis auffrischen. Es ist der Paragraph, der sich auf die Übertragung oder den Verkauf von anwaltlichen Leistungen bezieht. Wobei es sich in diesem Fall um eine Übertragung handelt. Offensichtlich hat Sie Mr. Vincent in seinem Standardmandatsvertrag als Stellvertreter aufgeführt, damit Sie im Bedarfsfall für ihn einspringen können. Außerdem habe ich herausgefunden, dass er vor zehn Jahren beim Gericht einen Antrag gestellt hat, Ihnen seine Kanzlei zu übertragen, sollte er berufsunfähig werden oder versterben. Dieser Antrag wurde nie geändert oder aktualisiert, aber es geht eindeutig daraus hervor, was seine Intentionen waren.«
    Ich starrte sie an. Natürlich wusste ich von der Klausel in Vincents Standardvertrag. In meinen hatte ich die gleiche auf seinen Namen aufgenommen. Aber nun erst dämmerte mir, dass mir die Richterin zu verstehen geben wollte, dass ab sofort Jerrys Fälle mir gehörten. Alle, inklusive Walter Elliot.
    Das hieß natürlich nicht, dass ich auch alle Fälle behalten würde. Es stand jedem Mandanten frei, sich einen neuen Anwalt zu suchen, sobald er von Vincents Ableben in Kenntnis gesetzt wurde. Es bedeutete aber zumindest, dass ich die erste Option für sie war.
    Ich begann zu überlegen. Ich hatte ein Jahr lang keinen Mandanten mehr gehabt und eigentlich geplant, ganz langsam wieder einzusteigen und nicht gleich mit einem ganzen Schwung von Fällen, wie ich ihn offensichtlich gerade geerbt hatte.
    »Bevor Sie sich jedoch wegen dieses Angebots allzu große Hoffnungen machen«, fügte die Richterin hinzu, »muss ich Sie darauf hinweisen, dass ich in meiner Verantwortung als Vorsitzende Richterin jede erdenkliche Anstrengung unternehmen werde, um sicherzustellen, dass Mr. Vincents Mandanten an einen Ersatzanwalt von gutem Ansehen und entsprechender Kompetenz verwiesen werden.«
    Jetzt wurde mir alles klar. Sie hatte mich einbestellt, um mir zu erklären, warum ich Vincents Mandanten nicht zugeteilt bekäme. Sie hatte vor, gegen den Willen des toten Anwaltskollegen jemand anderen zu ernennen, höchstwahrscheinlich einen der großzügigen Spender für die letzte Kampagne zu ihrer Wiederwahl. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich im Lauf der Jahre rein gar nichts zum Auffüllen ihrer Kasse beigetragen.
    Doch die Richterin sollte mich überraschen.
    »Ich habe mich bei mehreren Richtern nach Ihnen erkundigt«, fuhr sie fort, »und ich weiß, dass Sie fast ein Jahr nicht mehr als Anwalt tätig waren. Auf eine Erklärung dafür bin ich nicht gestoßen. Bevor ich daher die Anweisung erteile, Sie zum Ersatzanwalt zu ernennen, möchte ich mich vergewissern, dass ich Mr. Vincents Mandanten nicht an den falschen Mann vermittle.«
    Ich nickte zustimmend und hoffte, auf diese Weise etwas Zeit schinden zu können, bevor ich antwortete.
    »Sie haben völlig Recht. Ich habe mich gewissermaßen eine Weile selbst aus dem Verkehr gezogen. Aber ich war gerade dabei, wieder einzusteigen.«
    »Warum sind Sie ausgestiegen?«
    Sie fragte mich ganz unverblümt und musterte mich dabei unverwandt. Offensichtlich suchte sie in meinem Gesicht nach verräterischen Indizien, dass ich die Wahrheit zu verdrehen versuchte. Ich wählte meine Worte mit großem

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