So wahr uns Gott helfe
viel aus, wie du eben ausgeben musst. Wenn unbedingt zwei kommen wollen, lass meinetwegen zwei kommen. Wir sehen sie uns an und schicken den Besseren in den Zeugenstand. Aber sorg dafür, dass auf jeden Fall einer rüberkommt. Wir sind hier in Los Angeles, Cisco. Jeder Cop auf der Welt möchte mal diese Stadt besuchen, um hinterher allen zu erzählen, welchen Berühmtheiten er über den Weg gelaufen ist.«
»Alles klar. Ich schaffe jemanden hier rüber. Aber was ist, wenn er nicht gleich weg kann?«
»Dann eben so bald wie möglich. Ich kann im Gericht etwas Zeit schinden. Der Richter will zügig vorankommen, aber wenn nötig, kann ich ein bisschen auf die Bremse treten. Bis nächsten Dienstag oder Mittwoch kann ich es wahrscheinlich hinauszögern. Aber spätestens dann sollte jemand auftauchen.«
»Soll ich dich heute Abend noch anrufen, wenn alles geregelt ist?«
»Nein, ich brauche jetzt meinen Schönheitsschlaf. Ich bin es nicht mehr gewohnt, den ganzen Tag im Gericht zu stehen. Deshalb fühle ich mich ziemlich kaputt. Ich gehe bald ins Bett. Ruf mich morgen früh an.«
»Alles klar, Mick.«
Wir erhoben uns. Er klopfte mir mit dem Ordner auf die Schulter und steckte ihn dann hinten in seinen Hosenbund. Dann stieg er die Treppe hinunter, und ich trat an das Terrassengeländer und sah zu, wie er am Straßenrand auf seine Maschine stieg, den Gang herausnahm und lautlos den Fareholm hinunter zum Laurel Canyon Boulevard rollte.
Ich hob den Blick wieder, ließ ihn über die Stadt schweifen und dachte über meine Entscheidungen der letzten Zeit nach, über meine private Situation und meine Schwindeleien im Gerichtssaal. Über letztere zerbrach ich mir nicht allzu lang den Kopf, und ich hatte deswegen auch kein schlechtes Gewissen. Ich verteidigte einen Mann, der die ihm zur Last gelegten Morde aller Wahrscheinlichkeit nach nicht begangen hatte, der aber dennoch eine gewisse Mitschuld trug. Ich hatte einen Schläfer in der Jury sitzen, ein Umstand, der in direktem Zusammenhang mit der Ermordung meines Vorgängers stand. Und ein Detective wachte über mich, dem ich einiges verschwieg und von dem ich nicht wusste, was ihm wichtiger war – meine Sicherheit oder die Lösung seines Falls.
So war meine Situation, und ich hatte wegen keiner dieser Umstände Angst oder Skrupel. Ich kam mir vor wie ein Kerl, der gerade mit einem fünf Zentner schweren Motorschlitten einen Salto machte. Das mochte vielleicht kein Sport sein, aber es war gefährlich. Und es bewirkte etwas in mir, um das ich mich ein Jahr lang vergeblich bemüht hatte. Es löste den Rost und machte mir wieder Dampf unterm Hintern.
Es brachte mich auf Hochtouren.
Schließlich hörte ich den Motor von Ciscos Harley anspringen. Er hatte es bis zum Laurel Canyon geschafft, ohne die Maschine anzulassen. Sie röhrte tief und satt, als er in die Nacht davonfuhr.
TEIL FÜNF
Das elfte Gebot
SIEBENUNDVIERZIG
A m Montagmorgen trug ich meinen Corneliani-Anzug. Ich saß neben meinem Mandanten im Gerichtssaal und wartete darauf, mit seiner Verteidigung zu beginnen. Jeffrey Golantz, der Staatsanwalt, lauerte an seinem Tisch darauf, meine Bemühungen zu vereiteln. Und der Zuschauerbereich hinter uns war wieder einmal bis auf den letzten Platz besetzt. Doch die Richterbank vor uns war leer. Der Richter hatte sein Zimmer noch nicht verlassen und hinkte fast eine Stunde hinter dem von ihm selbst aufgestellten Zeitplan her. Entweder war etwas nicht in Ordnung, oder es gab etwas Neues, jedenfalls waren wir noch nicht über den Grund der Verzögerung informiert worden. Wir hatten lediglich mitbekommen, dass Sheriff’s Deputies einen Unbekannten ins Richterzimmer gebracht und dann wieder abgeholt hatten, aber uns war mit keinem Wort angedeutet worden, was das Ganze zu bedeuten hatte.
»Na, Jeff, was meinen Sie?«, rief ich Golantz schließlich über den Mittelgang hinweg zu.
Golantz blickte zu mir. Er hatte seinen schnieken schwarzen Anzug an, aber weil er ihn seit Prozessbeginn jeden Tag getragen hatte, machte er nicht mehr so viel her. Er zuckte mit den Achseln.
»Keine Ahnung.«
»Vielleicht überdenkt er meinen Antrag, eine bindende Weisung an die Geschworenen zu erlassen, ein von ihm verfügtes Urteil zu fällen.«
Ich lächelte. Golantz nicht.
»Ganz bestimmt«, entgegnete er mit bemühtem Sarkasmus.
Die Anklage hatte die ganze vorangegangene Woche benötigt, um den Fall aus ihrer Sicht darzustellen. Dazu hatte auch ich meinen Teil beigetragen, mit einigen in
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