So wahr uns Gott helfe
die Länge gezogenen Kreuzverhören, aber in erster Linie war es Golantz’ Overkill-Taktik zu verdanken. Er nagelte den Rechtsmediziner, der die Autopsien von Mitzi Elliot und Johann Rilz vorgenommen hatte, fast einen ganzen Tag lang im Zeugenstand fest und ließ ihn in zermürbender Ausführlichkeit schildern, wie und wann die Opfer gestorben waren. Ebenso musste Walter Elliots Buchhalter einen halben Tag im Zeugenstand ausharren, um die finanziellen Feinheiten der Elliotschen Ehe zu erläutern und wie viel Walter Elliot im Fall einer Scheidung verloren hätte. Und der Kriminologe des Sheriff’s Department musste endlos über die Schmauchspuren Auskunft erteilen, die er an den Händen und an der Kleidung des Angeklagten gefunden hatte.
Zwischen diesen Hauptzeugen führte Golantz kürzere Vernehmungen von Nebenzeugen durch, um am Freitag seine Falldarstellung mit einem kräftigen Druck auf die Tränendrüse endlich zum Abschluss zu bringen. Er rief Mitzi Elliots lebenslange beste Freundin in den Zeugenstand. Sie bezeugte, dass Mitzi sie in ihr Vorhaben eingeweiht hatte, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen, sobald der Ehevertrag in Kraft träte. Sie berichtete von dem heftigen Streit, der zwischen den Eheleuten entbrannt war, als der Mann von den Absichten seiner Frau erfuhr, und den blauen Flecken, die sie am darauffolgenden Tag an Mitzi Elliots Armen gesehen hätte. Die gesamten sechzig Minuten, die sie im Zeugenstand verbrachte, hörte sie keine Sekunde zu weinen auf und schweifte fortwährend zu Aussagen ab, die auf Hörensagen basierten, weshalb ich immer wieder Einspruch erhob.
Sobald die Anklage ihre Falldarstellung für beendet erklärt hatte, beantragte ich routinemäßig beim Richter, die Geschworenen anzuweisen, für einen Freispruch zu stimmen. Ich führte an, der Anklage sei es nicht annähernd gelungen, die gegen Elliot erhobenen Anschuldigungen stichhaltig zu beweisen. Ebenso routinemäßig wies der Richter meinen Antrag zurück und verkündete, die Verteidigung erhalte am kommenden Montag Punkt neun Uhr Gelegenheit, den Fall aus ihrer Sicht darzustellen. Darauf verbrachte ich das gesamte Wochenende damit, den strategisch günstigsten Einsatz meiner zwei Hauptzeugen zu planen und sie auf ihren Auftritt vor Gericht vorzubereiten. Diese Zeugen waren Dr. Shamiram Arslanian, meine Schmauchspurenexpertin, und ein jetlaggeplagter französischer Polizeiinspektor namens Malcolm Pepin. Inzwischen war es Montagmorgen, und ich war bereit, loszulegen. Aber es saß kein Richter auf der Bank, um mir grünes Licht zu erteilen.
»Was soll das, was ist los?«, flüsterte mir Elliot zu.
Ich zuckte mit den Achseln.
»Ebenso wie Sie kann ich da nur raten. Wenn der Richter nicht auf der Bank erscheint, hat das normalerweise nichts mit der aktuellen Strafsache zu tun, sondern meistens mit der nächsten Verhandlung in seinem Terminkalender.«
Elliot war nicht besänftigt. In der Mitte seiner Stirn hatte sich eine tiefe Furche festgesetzt. Er wusste, dass etwas im Busch war. Ich drehte mich zum Zuschauerbereich um. Julie Favreau saß mit Lorna in der dritten Reihe. Ich zwinkerte ihnen zu, und Lorna reckte mir ihren erhobenen Daumen entgegen. Mein Blick wanderte weiter, und hinter dem Tisch der Anklage entdeckte ich eine Lücke zwischen den dicht gedrängten Zuschauern. Die Deutschen fehlten. Ich wollte Golantz gerade fragen, wo Rilz’ Verwandte waren, als ein Deputy in Uniform hinter dem Staatsanwalt an die Schranke trat.
»Entschuldigung.«
Golantz drehte sich um, und der Deputy winkte mit einem Dokument. »Sind Sie der Ankläger? Oder wer ist hier sonst zuständig?«
Golantz stand auf und ging zu dem Mann an die Schranke. Er warf einen raschen Blick auf das Schriftstück und gab es wieder zurück.
»Das ist eine Vorladung der Verteidigung. Sind Sie Deputy Stallworth?«
»Ja.« Der Deputy nickte.
»Dann sind Sie hier richtig.«
»Nein, bin ich nicht. Ich hatte nichts mit diesem Fall zu tun.«
Golantz nahm die Vorladung noch einmal an sich und studierte sie. Ich konnte sehen, wie es in seinem Kopf zu arbeiten begann, aber wenn ihm klarwürde, was das Ganze sollte, wäre es bereits zu spät.
»Sie waren gar nicht am Tatort? Und Sie haben auch nicht die Zufahrt gesichert oder den Verkehr geregelt?«
»Ich war zu Hause im Bett, Mann. Ich hatte an diesem Tag Frühschicht.«
»Augenblick.«
Golantz ging zu seinem Tisch zurück und schlug einen Ordner auf. Ich sah ihn die jüngste Zeugenliste überfliegen,
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