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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Sondereinsatzkommandos verwickelte ihn in ein Gespräch.
    Der Schütze war tatsächlich Eli Wyms, ein vierundvierzigjähriger Anstreicher aus Inglewood. Im Festnahmeprotokoll wurde er als betrunken, aggressiv und suizidgefährdet beschrieben. Seine Frau hatte ihn kurz zuvor aus der gemeinsamen Wohnung geschmissen, weil sie sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Daraufhin fuhr Wyms ans Meer, von dort in nördlicher Richtung nach Malibu und schließlich über die Berge nach Calabasas. Er kam an dem Park vorbei und fand, er wäre ein guter Platz, um den Pick-up abzustellen und zu schlafen. Doch zunächst fuhr er weiter und kaufte sich an einer Tankstelle nicht weit vom Freeway 101 eine Palette Bierdosen. Damit kehrte er in den Park zurück.
    Wyms erzählte dem Verhandlungsführer der Polizei, er habe zu schießen begonnen, weil er im Dunkeln Geräusche gehört und Angst bekommen habe. Er bildete sich ein, auf tollwütige Kojoten zu feuern, die ihn fressen wollten, und gab an, er hätte ihre roten Augen im Dunkeln leuchten sehen. Den Suchscheinwerfer des Streifenwagens habe er nur deshalb zerschossen, weil er gefürchtet habe, das Licht könne den Tieren seine Position verraten. Auf die Frage, wie er aus siebzig Metern Entfernung so genau habe treffen können, gab er an, er sei im ersten Irakkrieg für seine Leistungen auf dem Schießstand mit einer Medaille ausgezeichnet worden.
    Dem Protokoll zufolge hatte Wyms mindestens siebenundzwanzig Schüsse abgefeuert, während die Deputys vor Ort waren, und davor noch Dutzende mehr. Insgesamt sammelten die Ermittler vierundneunzig Patronenhülsen ein.
    Wyms ergab sich dem Polizeiaufgebot erst, als ihm das Bier ausging. Kurz nachdem er die letzte leere Dose in seiner Hand zerdrückt hatte, bot er dem Verhandlungsführer per Telefon an, ein Gewehr gegen einen Sechserpack Bier einzutauschen. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt. Darauf erklärte er, es tue ihm leid, er wolle dem Vorfall und überhaupt allem ein Ende machen, sich das Leben nehmen und buchstäblich mit einem Riesenknall verabschieden. Der Verhandlungsführer versuchte, ihm das auszureden und die Unterhaltung nicht zum Erliegen kommen zu lassen, während zwei Mitglieder eines SWAT-Teams durch das unwegsame Gelände zu Wyms’ Stellung in einer Gruppe von Eukalyptusbäumen krochen. Aber schon nach kurzem drang aus dem Handy des Verhandlungsführers nur noch lautes Schnarchen. Wyms war eingeschlafen.
    Das SWAT-Team kam unbemerkt an Wyms heran und konnte ihn festnehmen, ohne dass ein einziger Schuss abgefeuert wurde. Die Situation war unter Kontrolle. Da Deputy Stallworth als Erster am Tatort erschienen und unter Beschuss genommen worden war, wurde die Festnahme ihm zugeschrieben. Der Schütze wurde in Stallworths Streifenwagen auf die Wache in Malibu gebracht und in eine Zelle gesteckt.
    Andere Dokumente in der Akte spannen die Eli-Wyms-Saga weiter. Als er am Morgen nach seiner Verhaftung einem Richter vorgeführt wurde, wurde er als mittellos eingestuft und bekam einen Pflichtverteidiger zugeteilt. Während Wyms im Men’s Central Jail inhaftiert war, kam das Verfahren zunächst nur schleppend voran. Doch dann trat Vincent auf den Plan und bot dem Angeklagten an, ihn pro bono zu vertreten. Als Erstes stellte er den Antrag, die Zurechnungsfähigkeit seines Mandanten überprüfen zu lassen. Diesem Antrag wurde stattgegeben, wodurch das Verfahren noch länger hinausgezögert wurde, weil Wyms zum Zweck einer neunzigtägigen psychiatrischen Begutachtung in die staatliche Klinik in Camarillo eingewiesen wurde.
    Diese Begutachtungsphase war inzwischen vorüber, und die Berichte lagen vor. Alle Ärzte, die Wyms in Camarillo untersucht hatten, waren einstimmig zu der Einschätzung gelangt, er sei schuld- und verhandlungsfähig.
    Während der für zwei Uhr angesetzten Verhandlung bei Richter Mark Friedman sollte ein Prozesstermin festgelegt werden und so das Verfahren wieder in Gang kommen. Für mich war das Ganze eine reine Formsache. Schon nach einmaliger Durchsicht der Akte wurde mir klar, dass es nicht zum Prozess kommen würde. Deshalb ginge es bei der heutigen Verhandlung nur darum, die Zeitspanne festzulegen, die mir zur Verfügung stand, um für meinen Mandanten einen Deal auszuhandeln.
    Der Ausgang der Sache stand schon mehr oder weniger fest. Wyms würde sich schuldig bekennen und sich dafür wahrscheinlich ein, zwei Jahre Haft mit psychologischer Betreuung einhandeln. Die einzige Frage, die sich mir nach Durchsicht

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