So wahr uns Gott helfe
gefragt.«
Ich blickte von Lorna zu Cisco.
»Das ist Erpressung. Gibt es keine staatliche Behörde, die Leuten wie euch auf die Finger schaut? Kann man da nicht irgendwie gegenhalten?«
Cisco schüttelte den Kopf.
»Es gibt zwar alle möglichen Aufsichtsbehörden, aber grundsätzlich bewegen wir uns da in einer Grauzone.«
»Das passt zu diesem Kerl. Er kam mir schon immer irgendwie zwielichtig vor.«
»Was ich damit sagen will, ist, er hatte keinen Vertrag mit Vincent. Es war nirgendwo was Schriftliches zu finden. Daher ist er nicht verpflichtet, uns irgendwelche Informationen zu geben. Wir müssen ihn schlicht und einfach engagieren, und unter zehntausend ist er nicht zu haben. Das Ganze ist natürlich die reine Abzocke, aber rechtlich ist dagegen wahrscheinlich nichts einzuwenden. Ich meine, du bist schließlich der Anwalt. Du müsstest so was am besten wissen.«
Ich dachte kurz darüber nach, beschloss dann aber, die Geschichte vorläufig beiseite zu schieben. Ich zehrte immer noch von dem Schwung, den mir der Adrenalinstoß im Gericht verliehen hatte. Ich wollte ihn nicht wegen irgendwelcher Nebensächlichkeiten verpuffen lassen.
»Na schön, ich frage Elliot, ob er so viel dafür lockermachen will. Aber bis dahin nehme ich mir erst nochmal sämtliche Akten vor. Und wenn ich Glück habe, stoße ich selber drauf, und wir brauchen Carlin nicht. Dann kann uns dieser blöde Sack mal kreuzweise.«
»Arschloch«, zischte Lorna.
Ich war ziemlich sicher, dass damit Bruce Carlin gemeint war und nicht ich.
»Okay, war’s das?«, fragte ich. »Sonst noch was?«
Ich blickte von einem Gesicht zum anderen. Offensichtlich gab es nichts mehr zu berichten.
»Okay, euch beiden vielen Dank für alles, was ihr diese Woche über euch ergehen lassen musstet und geleistet habt. Und jetzt fahrt mal schön nach Hause, und macht euch einen gemütlichen Abend.«
Lorna sah mich erstaunt an.
»Du schickst uns schon nach Hause?«
Ich schaute auf die Uhr.
»Warum nicht. Es ist fast halb fünf, und ich will mich in die Akten vertiefen. Da kann ich keine Ablenkungen brauchen. Genießt die freie Zeit. Morgen geht es dann in alter Frische weiter.«
»Willst du heute Abend hier ganz allein arbeiten?«, fragte Cisco.
»Ja, aber keine Angst. Ich werde die Tür abschließen und niemanden hereinlassen. Selbst wenn ich ihn kenne.«
Ich lächelte. Lorna und Cisco nicht. Ich deutete auf die offene Tür meines Büros. Sie hatte einen Schieber, mit dem sie sich oben am Türrahmen verriegeln ließ. Wenn nötig, konnte ich sowohl den äußeren als auch den inneren Zugang sichern.
»Jetzt verzieht euch endlich – mir passiert schon nichts. Ich muss arbeiten.«
Widerstrebend verließen die beiden das Büro.
»Lorna«, rief ich ihnen hinterher. »Könntest du Patrick draußen sagen, er soll noch einen Moment im Wartezimmer bleiben. Ich muss hier eben mal kurz telefonieren, dann habe ich vielleicht etwas Interessantes für ihn.«
NEUNUNDZWANZIG
I ch schlug den Henson-Ordner auf und suchte nach der Nummer des Staatsanwalts. Ich wollte diese Sache vom Tisch haben, bevor ich mich an den Elliot-Fall machte.
Der Ankläger war Dwight Posey, ein Kerl, gegen den ich schon einige Male vor Gericht angetreten war und den ich nie gemocht hatte. Manche Ankläger verhalten sich Strafverteidigern gegenüber, als befänden diese sich auf einer Stufe mit ihren Mandanten. Als handle es sich bei ihnen um Halbkriminelle und nicht um gut ausgebildete und erfahrene Juristen. Um unverzichtbare Rädchen im Getriebe des Rechtssystems. Ich kann damit leben, dass die meisten Polizisten dieser Meinung sind. Aber wenn Juristenkollegen diese Haltung einnehmen, stößt mir das sauer auf. Leider gehörte Dwight Posey zu dieser Sorte, und ich hätte nichts dagegen gehabt, mein ganzes Leben lang kein Wort mehr mit ihm wechseln zu müssen. Aber daraus würde wohl nichts.
»So, Haller«, sagte er, als er abgenommen hatte. »Sind Sie also in die Fußstapfen eines Toten getreten.«
»Was?«
»Die haben Ihnen alle Fälle von Jerry Vincent zugeschanzt, oder? So sind Sie doch an Henson gekommen.«
»Ja, so in etwa. Sie haben um Rückruf gebeten, Dwight. Wenn mich nicht alles täuscht, sogar dreimal. Was gibt’s? Haben Sie den Antrag erhalten, den ich gestern gestellt habe?«
Mir war klar, dass ich mich zurückhalten musste, wenn ich das Optimum aus dem Anruf herausholen wollte. Ich durfte nicht zulassen, dass sich meine Abneigung gegen den Ankläger negativ für meinen
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