So weit der Wind uns trägt
Rücken, als sie plötzlich fühlte, wie die Mitte ihres Leibes mit unkontrollierbaren Zuckungen auf die köstlichen Erschütterungen antwortete. Sie stöhnte laut auf, als ihr ganzer Körper von einem Zittern geschüttelt wurde, das gleich darauf einem überwältigenden Gefühl der Entspannung wich. Zum zweiten Mal an diesem Tag meinte Jujú sterben zu müssen – doch diesmal hätte das Gefühl ewig andauern mögen.
Auch Fernando schien zu beben, als er Sekunden nach ihr zum Höhepunkt gelangte und sich seine Ekstase in einigen letzten, pumpenden Stößen sowie in einem heiseren Laut entlud. Er sah sie mit verschleiertem Blick an und ließ sie langsam herab. Als Jujú wieder festen Boden unter den Füßen hatte, merkte sie, wie schwindelig ihr war. Sie zog ihr Kleid, das noch immer in ihre Taille hochgeschoben war, über den Kopf, ging zum Bett und ließ sich erschlafft darauf fallen. Fernando tat es ihr gleich. Sie sprachen kein Wort dabei, und auch als sie in der Nachmittagssonne nackt nebeneinander auf dem Bett lagen, schwiegen sie. Es war ein köstliches Schweigen, und es sagte viel mehr als alle Worte.
Jujú schämte sich ihrer Nacktheit nicht im Geringsten. Hatte sie daheim vor dem Spiegel ihren Körper nach einer kritischen Musterung für alt und hässlich befunden, von Schwangerschaftsstreifen entstellt und mit Brüsten, die nicht mehr ganz so fest waren wie vor ein paar Jahren, so fühlte sie sich jetzt in vollkommenem Einklang mit sich selbst. Sie fand sich schön, weil Fernando sie schön fand. Er liebkoste ihren Körper mit Blicken, aus denen sowohl Wollust als auch tief empfundene Liebe sprachen, und sie erwiderte die unausgesprochenen Komplimente damit, dass sie ihrerseits seinen Körper bewunderte. Sie fuhr mit den Fingern durch sein Brusthaar, strich über den Adamsapfel, erzeugte ein kratzendes Geräusch, als sie sein Kinn streichelte, und spürte ihn plötzlich an ihrem Finger lutschen, als sie sacht seine Lippen berührte. Sie lächelte, er auch.
Irgendwann schliefen sie ein.
Als Jujú ein oder zwei Stunden später erwachte, sah sie, dass Fernando sie zugedeckt hatte. Er saß auf der Bettkante, beobachtete sie beim Aufwachen und strich ihr zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er hielt ihr ein Glas Wasser hin, das sie dankbar nahm und in einem Zug austrank. Danach bat sie ihn, ihr eine Zigarette zu holen und anzuzünden. Sie inhalierte den Rauch tief und mit großem Genuss. In den Sonnenstrahlen, die nun schräg durch das Fenster fielen, folgte ihr Blick den schönen Rauchgebilden.
»Wie spät ist es?«, fragte sie ihn.
»Ungefähr vier Uhr. Warum, hast du noch etwas Besonderes vor?«
Sie lächelte ihn vielsagend an. »Ja, du nicht?« Dann drückte sie die Zigarette aus und zog Fernando zu sich hinab.
Diesmal ließen sie sich mehr Zeit für ihr Liebesspiel, doch noch immer war es geprägt von einer Hemmungslosigkeit und Gewalt, aus der das unerfüllbare Verlangen sprach, die verlorenen Jahre wieder aufzuholen. Er nahm sie mit einer Leidenschaft, die an Raserei grenzte. Er riss an ihren Haaren, er biss sie und packte sie und nahm vollständig von ihr Besitz. Es war genau das, was Jujú wollte. Zärtliche Liebkosungen, sachtes Streicheln und verliebtes Betrachten des anderen konnten warten. Die rohe Begierde nicht.
Erst als die Sonne schon im Westen verschwunden war und das Licht im Zimmer dämmrig wurde, ließen sie voneinander ab. Sie duschten gemeinsam, kleideten sich an und gingen ein wenig auf der Croisette spazieren, solange der letzte Rest von Tageslicht ihnen erlaubte, das Panorama zu würdigen. Sie schlenderten Hand in Hand über die elegante Promenade, und als sie genug gesehen hatten und die Geschäfte schlossen, setzten sie sich in eines der Fischrestaurants am Hafen. Sie vertilgten einen riesigen Teller mit auf Eis liegenden Austern, Scampis, Krebsen, Muscheln und Schnecken, tranken einen Sancerre dazu und hatten anschließend das Gefühl, ihren eigentlichen Hunger und Durst noch immer nicht gestillt zu haben. Doch dafür hatten sie ja noch die ganze Nacht.
Und mehrere Tage.
Ihr Aufenthalt in Cannes war eine einzige Abfolge ineinander übergehender erotischer Spiele, nur gelegentlich unterbrochen von romantischen Spaziergängen oder Restaurantbesuchen. Noch Jahre später konnte Jujú diese Erlebnisse wie in Zeitlupe vor ihrem geistigen Auge vorbeiziehen lassen, und je mehr Zeit verging, desto mehr erschienen sie ihr wie ein Traum. Wenn es nicht das Foto gegeben
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