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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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heiligen Antonius gefeiert wurde.
    »Santo António, Ihr Namenspatron. Er ist der Schutzheilige von Lissabon.«
    »Was Sie nicht sagen?« Jakob sah Laura verschmitzt an. »Als ob ich das nicht selbst am besten wüsste.«
    »Natürlich. Verzeihung. Ich habe … ach, ich quassele einfach zu viel drauflos, ohne vorher nachzudenken.«
    »Sie Glückliche.«
    Da – nun war es doch passiert. Sie hatte António dazu verleitet, eine verräterische Äußerung zu machen.
    »Aber nun erzählen Sie doch mal – von mir aus gern etwas, über das Sie genau nachgedacht haben. Ich befinde mich nicht allzu häufig in Gesellschaft von intelligenten Leuten.«
    Und Jakob erzählte. Er log dabei nicht direkt, verzerrte die Wahrheit aber so, dass seine Geschichte vollkommen koscher daherkam. Er berichtete, dass er längere Zeit bei nahen Verwandten in der Schweiz gelebt und dort fließend Deutsch gelernt hätte. Er sprach von seiner Schwester, die in Frankreich lebte und die es schwer hatte, als Assistentin eines Theaterregisseurs Fuß zu fassen. Er unterhielt Laura mit wahren Anekdoten von divenhaften Geigenvirtuosen und tyrannischen Dirigenten, von rachitischen Trompetern und ruhmbesessenen Tenören.
    Sie genoss diese Unterhaltung sehr, wohl wissend, dass sich all diese amüsanten Geschichten niemals in Portugal zugetragen hatten. Nur das, was er über seine Schüler erzählt hatte, mochte sich gut und gern in Lissabon abgespielt haben. Sie erinnerte sich nur zu genau an ihren kleinen Bruder und dessen katastrophalen Geigenunterricht. Nach ein paar Monaten war es ihre Mutter dann ebenso leid gewesen wie Paulinho selber – die sündhaft teure Violine lag bestimmt immer noch in einer dunklen Ecke des Salons und setzte Staub an.
    »Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen eine gut erhaltene Cavalli leihen«, bot sie António an. »Ihre eigene könnten Sie dann den Kindern für ihre sadistischen Fingerübungen überlassen.«
    »Brauchen Sie sie denn nicht selbst? Sie könnten sie verkaufen?« António war irritiert. Woher hatte Laura ein Instrument dieses berühmten Geigenbauers? Doch obwohl er nichts lieber getan hätte, als einmal eine Violine von Astride Cavalli zu spielen, lehnte er das Angebot ab. »Vielen Dank, das ist sehr großzügig von Ihnen. Aber die meisten meiner Schüler haben eine eigene Geige. Die Eltern scheinen zu glauben, dass der Erwerb eines kostbaren Instrumentes schon die halbe Miete ist.«
    Laura lachte. Ja, genauso war es auch bei ihnen gewesen, mit allem. Dass ein teures Rassepferd keine Weltklassereiter, hochwertige Tennisschläger noch keine Asse auf dem Court und ein Steinway-Flügel keine Starpianisten aus ihnen machten, hatten ihre Eltern bis heute nicht begriffen. Wo keine Leidenschaft war, konnte man mit luxuriösem Drumherum auch keine erzeugen. Umgekehrt konnte man allerdings ein Talent oder ein aufkeimendes Interesse sehr wohl dadurch fördern, dass man den Kindern schönes Zubehör kaufte. Sie selber wäre ohne ihre Staffelei, die Leinwände und die kostspieligen Farben – die sie nicht von ihren Eltern, sondern von Tante Mariana geschenkt bekommen hatte – der bildenden Kunst vielleicht nie treu geblieben.
    Das alles konnte sie António natürlich nicht erzählen. Stattdessen lächelte sie ihn an und sah ihm tief in seine hellbraunen Augen, die sogar im Schatten des Sonnenschirms, unter dem sie saßen, leuchteten. Je länger sie ihn ansah, desto attraktiver fand sie ihn. Nicht einmal die Aknenarben empfand sie mehr als störend. Sie verliehen ihm einen herben, maskulinen Charme. Sie lehnte ihren Oberkörper über den Tisch, als wollte sie ihm etwas zuflüstern. Er kam mit seinem Gesicht ebenfalls näher.
    »Sie haben ein sehr markantes Gesicht«, sagte sie mit der rauchigsten Stimme, deren sie fähig war. »Ich würde es gern malen. Wollen Sie mir nicht Modell sitzen?«
    Jakob schluckte. Er war es nicht gewohnt, dass eine Frau ihm so unmissverständliche Angebote machte. Er räusperte sich und setzte zu einer Antwort an, doch Laura kam ihm zuvor.
    »Nun schauen Sie nicht so entsetzt. Ich will Sie nur malen. Und nur Ihr Gesicht.« Sie lehnte sich wieder in ihrem Stuhl zurück und blickte auf seine Hände, die nervös die Serviette zusammenfalteten. »Na ja, vielleicht auch Ihre Hände.«
     
    Die erste Sitzung fand einige Tage später statt, am Miradouro da Graça, einem Aussichtspunkt gleich unterhalb der Graça-Kirche. Sie trafen sich am frühen Morgen, denn Laura wollte, dass die tief stehende Sonne

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