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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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sich wie ein alter Ehemann aufzuführen. Er erwartete allen Ernstes von ihr, dass sie ihn bekochte! Schöner Freiheitskämpfer, der sich bei höheren Töchtern einnistete und sich den Allerwertesten herumheben ließ – wenn der nicht gerade in »Elda« versank. Marisa hatte eigentlich genug davon.
    Doch nachdem sie sich gegen so viele Widerstände durchgesetzt hatte, nachdem sie endlich ihre Eltern und ihren Bruder dazu gebracht hatte, sie, die verlorene Tochter, wieder in ihr Herz zu schließen und ihr ihre Fehltritte zu verzeihen, fiel es ihr außerordentlich schwer, ihr Versagen öffentlich einzugestehen.
Ihr hattet alle recht, der Mann taugt nichts
. So würde sie niemals angekrochen kommen. Wenn überhaupt, dann würde sie hocherhobenen Hauptes sagen: »Seht ihr, wie gut, dass ich ihn nicht geheiratet habe!« Das wiederum war nicht allein ihr Verdienst gewesen. Cristiano hatte sie auch nie gefragt, ob sie seine Frau werden wolle – noch so etwas, was sie ihm übel nahm. Obwohl sie natürlich nein gesagt hätte.
    Marisa fand, dass sie eindeutig zu jung dafür war, frustriert zu sein. Dennoch verhielt es sich so. Ihr Stolz hielt sie in einer Partnerschaft gefangen, die keine mehr war. In ihrem Beruf – sie war Dolmetscherin für Französisch – hatte sie kaum Perspektiven. Es begann sie bereits anzuöden, ständig nur Gespräche und Texte zu übersetzen, die von Importzöllen und Ausfuhrgenehmigungen, von Stückgut und Bruttoregistertonnen handelten. Und an ihrem Land, sosehr sie es auch liebte, begann sie zu verzweifeln. Es musste dringend etwas passieren in ihrem Leben, wenn sie nicht schon bald zur verhärmten alten Frau degenerieren wollte. In zwei Jahren wurde sie dreißig. Es graute ihr davor.
    »Dieser Joaquim Agostinho ist unglaublich. Sieh dir das an!«, rief Cristiano ihr aus dem Wohnzimmer zu. Marisa stand in der Küche und experimentierte mit unaussprechlichen Zutaten an einem afrikanischen Rezept herum.
    »Seit wann interessierst du dich für Radsport?«, rief sie zurück und schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie musste mit ihren chiliverseuchten Fingern zu nah an ihr linkes Auge gekommen sein, denn das fing auf einmal höllisch zu brennen und zu tränen an. Sie drehte den Wasserhahn auf, spülte so viel Wasser wie nur möglich in ihr schmerzendes Auge und hörte bei dem lauten Rauschen Cristianos Antwort nicht. Eigentlich spielte es auch keine Rolle, was er gesagt hatte. Es war sowieso gelogen. Er interessierte sich erst für Joaquim Agostinho, seit der andauernd im Fernsehen gezeigt wurde. Fernsehen gehörte zu Cristianos bevorzugten Freizeitbeschäftigungen.
    Als das Tränen etwas nachließ, putzte Marisa sich die Nase und fuhr mit den Kochvorbereitungen fort. Es ärgerte sie maßlos, dass ihr Freund sich nicht nützlich machte. Er verfügte über mehr freie Zeit als sie, aber er hatte immer eine Ausrede parat. Einmal hatte er mit jungenhaft zerknirschter Miene gesagt: »Ach, du weißt doch, wie scheußlich das schmeckt, wenn ich koche. Du tust dir selber einen Gefallen, wenn du das übernimmst.« Das entsprach leider der Wahrheit. Er hatte ein einziges Mal ein Essen zubereitet, noch dazu, als sie Freunde zu Besuch hatten. Es war keinem von ihnen bekommen. Dann wieder hatte er seine politischen Verpflichtungen vorgeschoben, dann seine nervenaufreibende Doktorarbeit. Immer hatte Marisa klein beigegeben. Aber jetzt hatte sie genug davon!
    »Cristiano? Kommst du bitte in die Küche und hilfst mir ein bisschen? Dieses Rezept ist ziemlich aufwendig, du könntest zum Beispiel die Zwiebeln und den Knoblauch schälen.«
    »Psst! Nicht jetzt!« Cristiano drehte sich nicht einmal zu ihr um. Er saß wie ein hypnotisiertes Kaninchen vor dem Fernseher.
    Na schön, dann eben nicht. Nicht jetzt und auch sonst nie wieder. Marisa warf die gehackten Chilis in den Mülleimer, verstaute die anderen Sachen im Kühlschrank und machte sich ein Brot. Sie bestrich es dick mit Butter und legte reichlich Käse und Schinken darauf. Dann goss sie sich ein Glas Wein ein und machte es sich am Küchentisch bequem. Ihr frugales Mahl schmeckte ihr ausgezeichnet. Als sie es beendet hatte, ging sie ins Schlafzimmer, zog sich um und ging, ohne ein Sterbenswörtchen zu sagen, durchs Wohnzimmer Richtung Haustür. Wenn sie ihm nicht durchs Bild gelaufen wäre, hätte er wahrscheinlich gar nicht mitbekommen, dass sie ausging.
    »Was ist mit dem Essen?«, fragte er.
    »Meines hat geschmeckt. Was mit deinem ist, weiß

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