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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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zufriedenstellend verlaufen. Collins hatte bei Gemini 10 bereits einen Weltraumspaziergang unternommen, Aldrin hatte nach Gemini 12 ebenfalls Erfahrung im Verlassen einer Raumkapsel, und auch Kommandant Armstrong war schon im All gewesen. Alle drei Astronauten hatten bei dem sensationellen Erfolg von Apollo 8 der Ersatzmannschaft angehört. Dies hier war nur die konsequente Fortführung und der bisherige Höhepunkt der US -amerikanischen Raumfahrtpolitik, deren oberstes Ziel es war, die Russen zu schlagen. Jetzt hatten sie es geschafft.
    Ricardo dachte an seine Freunde in den USA . Deren patriotische Herzen würden jetzt Kapriolen schlagen. Viele Leute hatte er nicht dort kennengelernt, aber die Gesellschaft einiger weniger hatte ihm gereicht. Er dachte an seine beiden Ex-Freundinnen, Helen und Joyce, sowie an seine Mitschüler: Rob aus Missouri, hinter dessen teigigem Gesicht sich ein unerhört scharfer Verstand verbarg; Harold aus Vermont, dessen schmächtige Gestalt nicht erwarten ließ, mit wie viel Mut, manchmal auch Übermut, er seine Maschine flog; und Stella aus Florida, der einzigen Frau unter den insgesamt zwölf angehenden Fluglehrern, die sie alle unter den Tisch trinken und sogar ihn, Ricardo, beim Pokern überlisten konnte. Sie alle säßen jetzt in ihren weichen Fernsehsesseln, würden Kartoffelchips knabbern, atemlos das Geschehen auf dem Bildschirm verfolgen und davon träumen, selber einmal ins All zu fliegen. Tat das nicht jeder Pilot? Zumindest jeder amerikanische und russische Pilot. Dass er als Portugiese jemals die Chance haben würde, den größten aller Flüge zu absolvieren, hielt er für höchst unrealistisch. Aber er hatte es ja selber so gewollt.
    Ein kollektives Stöhnen ging durch die Hotellobby. Das Fernsehgerät gab nur noch knisternde Geräusche von sich, das Bild bestand fast ausschließlich aus grau-schwarz flimmernden Streifen. Der Nachtportier ging nach vorn und schlug ein paarmal mit der flachen Hand auf den Fernseher. »Das hat er manchmal. Geht gleich vorbei.« Aber es ging nicht vorbei. Die Zuversicht des Portiers schwand dahin. Hektisch drehte er die Antenne in alle Himmelsrichtungen, doch es trat keine Verbesserung ein. Den Taxifahrer schien sein Vertrauen in die technischen Fähigkeiten des Portiers als Ersten zu verlassen. »Mann, ausgerechnet jetzt. Ich hau ab. Drüben im ›Palácio‹ haben sie auch eine Flimmerkiste.« Zwei weitere Personen schlossen sich ihm an.
    »Darf ich mal?« Ricardo war zu dem Portier getreten und betrachtete das defekte Gerät mit der Miene eines Fachmanns. Der Hotelangestellte hatte offenbar nicht viel übrig für den Einmischungsversuch, der seine eigene Autorität auf diesem Gebiet in Frage stellte. Er musterte Ricardo argwöhnisch. Der junge Mann sah in seinen Augen nicht eben vertrauenerweckend aus. Die Aknenarben, die nur unzureichend von den Koteletten verdeckt wurden, der kühle Blick aus hellen, grünlichbraunen Augen, die selbstbewusste Körperhaltung, der anmaßende Tonfall und diese merkwürdig fremdländische Kleidung – das schien ihm alles überhaupt nicht zu behagen. Aber hatte er eine Wahl?
    »Von mir aus. Aber wenn er hinterher ganz hinüber ist, ersetzen Sie den Schaden.«
    Ricardo zuckte mit den Schultern, legte sein großkariertes Jackett ab und machte sich an die Arbeit. Er benötigte etwa eine Viertelstunde, wovon zehn Minuten mit der Suche des Portiers nach einem Schraubenzieher verstrichen. Dann endlich lief das Gerät wieder störungsfrei. Die verbleibenden Zuschauer applaudierten ihm. Erst zu spät begriffen sie, dass sie alle den entscheidenden Moment verpasst hatten, in dem Neil Armstrong die berühmten Worte sagte, die am nächsten Tag auf allen Zeitungen die Schlagzeilen stellten: »Ein kleiner Schritt für einen Mann, ein großer Schritt für die Menschheit.«

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    A na Maria Delgado war die zuverlässigste Postbotin im Kreis Beja. In den vergangenen vierundzwanzig Jahren war sie kein einziges Mal zu spät zum Dienst erschienen oder auch nur einen Tag krank gewesen. Davor, in ihrem zweiten Jahr bei der Post, hatte sie insgesamt drei Wochen gefehlt, war aber kurz nach der Geburt ihres einzigen Kindes sofort wieder zu ihrer Arbeit zurückgeeilt. Um den Jungen hatte sich eine ganze Batterie von weiblichen Verwandten gekümmert, allen voran die beiden Großmütter, unter denen in dieser Zeit ein erbitterter Streit darüber entbrannte, wer sich wann und wie lange der Pflege und Betreuung des Kindes annehmen durfte.

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