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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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eine Baumrinde eingekratzte Botschaft »R * L« stand, schaffte er es am Abend desselben Tages, sie zu küssen. Hätte er nur früher gewusst, dass sie auf solche Torheiten stand – liebend gern hätte er sich tagtäglich zum Blödmann gemacht! Dann wäre er seinem eigentlichen Ziel jetzt schon ein gutes Stück näher.
     
    Marisa betrachtete immer und immer wieder die Polaroids. Er hatte schöne Hände und Füße. Schlank, aber kräftig und maskulin. Auf dem Foto mit dem Fuß war auch der Unterschenkel zu sehen, braun gebrannt, muskulös, wohlgeformt und von dunklen Haaren bedeckt, die nass und glatt an der Haut klebten. Wie sexy sie das fand! Wie toll sie den ganzen Mann fand! Er sah klasse aus, war intelligent und erfolgreich, hatte Phantasie und machte ihr den Hof, wie sie und mit ihr wahrscheinlich ein Großteil aller Frauen es sich erträumten. Er war hartnäckig, und wenn ihre Erinnerung sie nicht täuschte, war er auch ein guter Liebhaber. Er erfüllte eigentlich sämtliche Anforderungen, die man an einen Traumprinzen stellte. Nur zwei Dinge gefielen ihr gar nicht, und die waren es auch, weshalb sie sich so zierte, ihm mehr von sich zu geben – obwohl sie insgeheim nichts lieber getan hätte, als mit ihm in die Federn zu hüpfen. Erstens: Er würde nicht eher Ruhe geben, bis sie verheiratet wären. Zweitens: Sein Werben nahm allmählich leicht manische Züge an. Sie war sich ziemlich sicher, dass er sie heimlich beobachtete beziehungsweise beobachten ließ, und die Vorstellung behagte ihr überhaupt nicht.
    Gestern erst hatte sie wieder diesen Mann bemerkt, der Zeitung lesend am Steuer eines Autos saß, das vor ihrem Haus abgestellt war. War das ein Privatdetektiv? Schreckte Ricardo nicht einmal vor solchen Mitteln zurück, nur um in Erfahrung zu bringen, was es nun mit Cristiano auf sich hatte? Den sie übrigens tatsächlich nur bei sich wohnen ließ und mit dem, von ein paar Entgleisungen nach übermäßigem Weingenuss abgesehen, nichts mehr lief. Und den sie demnächst, mal wieder, ganz vor die Tür setzen würde: Sein weinerliches Gehabe fiel ihr auf den Wecker. Da konnte er für sie kochen, so viel er wollte.
    Sie ging in den Flur und suchte in ihrem Adressbuch nach der Nummer von Belo Horizonte. Dann wählte sie.
    »Flugschule Belo Horizonte,
bom dia
. Was darf ich für Sie tun?«, hörte sie die Stimme einer älteren Dame, die in schönster amerikanischer Manier diese freundliche Begrüßungsformel aufsagte. Das hatte ihr sicher Ricardo beigebracht – von sich aus hätte die Frau bestimmt nur, wie im Alentejo üblich, mit einem schroffen »Ja?« abgenommen. Es musste sich um die sagenhafte Dona Aldora handeln, von ihr hatte Ricardo ihr erzählt.
    »
Bom dia
. Ich würde gerne mit Ricardo da Costa sprechen.«
    »In welcher Angelegenheit?«
    »Privat.«
    »Und wie war bitte Ihr Name?«
    »Mein Name war und ist Marisa Monteiro Cruz.«
    »Oh – einen Augenblick bitte.« Nach einer halben Ewigkeit kam sie zurück an den Apparat. »Menina Marisa? Der Senhor Ricardo ist gerade mit einem Schüler unterwegs. Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?«
    Marisa fragte sich, wie viel Ricardo seiner kostbaren Assistentin von ihr erzählt hatte, dass diese sich schon erdreistete, sie mit »Menina Marisa«, Fräulein Marisa, anzusprechen. Aber das stand auf einem anderen Blatt. Jetzt wollte sie etwas anderes loswerden. »Ja. Bitte richten Sie ihm doch aus, er möge augenblicklich seine Schnüffler zurückpfeifen. Wenn ich diesen Wagen noch einmal hier entdecke, will ich nie wieder etwas von ihm hören.« Damit legte sie auf und ließ am anderen Ende eine erschütterte Dona Aldora zurück, die sich fragte, ob sie dem Jungen in dieser Angelegenheit nicht einen Bärendienst erwiesen hatte. Diese Marisa war ja unmöglich!
    Eine Stunde später rief Ricardo zurück. »Was sollte das? Du hast Dona Aldora mit dieser ominösen Nachricht einen Schrecken eingejagt.«
    »Schön, dass du dich um deine Mitarbeiterin mehr sorgst als um mich. Also, mein Lieber, hör mir mal genau zu: Wenn ich noch einmal diesen Privatdetektiv oder was immer er ist vor meiner Tür sehe, brauchst du mir nie mehr im Leben unter die Augen zu treten!« Ihr Herz schlug schneller, jetzt, da sie endlich ihrer Wut freien Lauf ließ.
    »Was redest du für einen Scheiß?«, fragte Ricardo und nahm aus dem Augenwinkel die empörte Miene Dona Aldoras wahr. »Wieso sollte ich dich beschatten lassen?«
    »Wieso? Weil … weil du irgendwie besessen bist.

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