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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Für andere ist es ganz und gar inakzeptabel.«
    Himmel, sah sie süß aus, wie sie da mit ungekämmten Haaren und in einem Hängekleidchen vor ihm stand und sich aufregte! »Soll das heißen, du hattest keine Lust, mich zu sehen?«
    »Das spielt doch gar keine Rolle. In keinem Fall hattest du das Recht, mich so zu überrumpeln und davon auszugehen, dass du schon richtig liegen würdest.«
    Natürlich hatte er dieses Recht – wenn sie sich ebenfalls freute, ihn zu sehen, dann hatte er ja wohl das einzig Wahre getan. Ihre Logik war äußerst verworren. Er hob ratlos die Achseln.
    »Und wenn mein Freund hier gewesen wäre? Was hättest du dann gemacht?« Sie klang ein bisschen wütend.
    »Ihn erschossen?«
    Marisa musste gegen ihren Willen kichern.
    »Also schön, Ricardo da Costa. Wozu, sagtest du gleich, hatten wir uns verabredet?«
     
    Dem verregneten Samstag im Kino folgte ein sonniger Sonntag am Strand, diesem ein Mittwochabend bei Kerzenschein in einem Fado-Lokal in der Alfama. Sie sahen sich in den folgenden Wochen häufig, und Ricardo fragte sich, was dieser Cristiano für ein Schlappschwanz war. Er an dessen Stelle hätte längst den Widersacher zur Rede gestellt, wenn nicht gar verprügelt. Oder war er vielleicht gar nicht mit Marisa zusammen? Handelte es sich nur um eine Art Wohngemeinschaft? Nein, denn dann hätte Marisa sich ihm, Ricardo, gegenüber doch sicher entgegenkommender gezeigt, oder? Mehr als ein paar flirtende Blicke, als ein paar knisternde Augenblicke hatte es nicht gegeben. Vielleicht sollte er schwerere Geschütze auffahren? Ihr mit glühenden Liebesbriefen zu Leibe rücken? Ach was, das hätte sie nur wieder spießig gefunden.
    Er konnte sich diese Distanziertheit nicht erklären. An ihm lag es sicher nicht; deutlicher konnte er schließlich kaum werden. Doch dann, als es bereits auf Oktober zuging, war es wiederum Dona Aldora, die ihm zu dem entscheidenden Durchbruch verhalf. »Ricardo, ich weiß, dass es mich nichts angeht. Trotzdem: Ganz gleich, was die jungen Dinger heutzutage behaupten – gegen rote Rosen hat noch nie eine Frau etwas gehabt.« Oje, dachte er, Marisa wird mich strangulieren, wenn ich ihr mit einer so konservativen, abgeschmackten Geste komme. Die gute Dona Aldora war vielleicht nicht mehr ganz
up to date
. »Tun Sie es einfach, sie wird Sie schon nicht erwürgen«, sagte Dona Aldora, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Also gut. Mehr als auslachen konnte sie ihn ja nicht.
    Doch sie lachte ihn nicht aus. Sie war sogar sehr erfreut, geradezu gerührt, und Ricardos Verwunderung war ebenso groß wie sein neu gewonnenes Vertrauen in seine Romeo-Qualitäten. Es war, als wäre ein Damm gebrochen. Der Entschluss, Marisa mit so altmodischen Methoden zu umwerben, setzte eine ungeheure Energie in Ricardo frei. Er würde sie nach allen Regeln der Kunst erobern – und er würde nicht eher ruhen, bis sie seine Frau war. Das heißt, danach würde er auch nicht ruhen. Ob andere Leute die Mittel, die er zur Erreichung seines Ziels ergriff, für übertrieben, peinlich oder lächerlich hielten, war ihm vollkommen gleichgültig. Das Einzige, was zählte, war Marisa. Was hatte er schon zu verlieren? Freundschaftliches Geplänkel hatte ihn keinen Schritt weitergebracht. Jetzt halfen nur noch extreme – und zur Not eben auch extrem kitschige – Maßnahmen. Der Zweck heiligte schließlich die Mittel.
    Kein Geschenk konnte zu romantisch, keine Geste zu gefühlsduselig, kein Wort zu blumig sein. Entgegen Dona Aldoras Empfehlung jedoch, die all ihren geplatzten Mädchenträumen auf diese Weise Ausdruck zu verleihen schien, schrieb er Marisa keine Gedichte. Dafür machte er mit seiner neuen Polaroidkamera Fotos, auf die er zweideutige Sprüche schrieb und die er Marisa per Post schickte – er konnte ja nicht andauernd nach Lissabon fliegen. Eines dieser Fotos zeigte seine Hand, die über zwei Äpfeln schwebte, unentschlossen, welchen sie zuerst greifen sollte, den knackigen roten oder den schrumpeligen. Dazu hatte er geschrieben: »Die Qual der Wahl …« Ein anderes bildete seinen nackten Fuß in einem Bach ab, darunter stand: »Wer wird denn kalte Füße bekommen?« Auf einem anderen war die Tragfläche seines Flugzeugs zu sehen, dazu der Satz: »Jetzt nur nicht abheben.« Das war alles an künstlerischem Ausdruck, wozu er fähig war, aber es schien anzukommen.
    Und tatsächlich: Nachdem er eines Tages mehrmals mit einem Banner über ihre Firma geflogen war, auf dem die wie in

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