So weit der Wind uns trägt
ein Vermögen wert sein! Du brauchtest nur ein einziges davon zu verkaufen und müsstest dir nicht mehr so den Arsch aufreißen! Du könntest Belo Horizonte sanieren. Du könntest dir ein schöneres Flugzeug kaufen. Du könntest …«
»Ich verkaufe keines davon. Eines Tages vielleicht. Das da, mit dem Kind, oben links, das finde ich ziemlich scheußlich. Das soll ich sein, kannst du dir das vorstellen? Irgendwann verkaufe ich es. Aber erst will ich selber zu Geld kommen. Ich will nicht das Gefühl haben, dass ich meinen Erfolg dem Geld meiner Mutter verdanke.«
»Warum hast du mir das nie erzählt, dass sie deine Mutter ist?«
»Ach, das ist eine lange Geschichte.«
»Ich habe Zeit. Die ganze Nacht.«
»Hast du nicht.« Damit warf er sich aufs Bett, zog ihr das Laken vom Körper und fiel über sie her, als hätte er seit Jahren keine Frau gehabt.
Am nächsten Morgen erwachte Ricardo vom Duft frisch aufgebrühten Kaffees. Er staunte nicht schlecht, als er den gedeckten Tisch sah, mit allem, was seine Küche hergegeben hatte, mit geröstetem Brot, gekochten Eiern, Saft und Cornflakes.
»Wie lange bist du schon wach?«
»Seit Stunden. Ich war schon im Dorf, als mir einfiel, dass ja Sonntag ist. Alle Läden hatten geschlossen, sonst hätten wir jetzt Croissants und alle möglichen anderen Frühstücksleckereien.«
»Ich finde, es sieht auch so ganz lecker aus.«
»Leider ist es zur Pfirsich- und Kirschernte noch zu früh, sonst hätte ich aus dem Gärtchen deines Großvaters ein bisschen Obst geklaut.«
»Wovon redest du?«
»Na, diese Hütte da unten am Weg. Das ist doch die von Fernando Abrantes, oder? Dem
Tattergreis
, wie du ihn nennst.«
»Ja, und?«
»Ich finde es nicht sehr nett, dass du so despektierlich über deinen eigenen Großvater redest. Und ihn da hausen lässt, kaum besser als einen Hund.«
»Abrantes ist nicht mein Großvater.«
»Natürlich ist er das.«
»Wie kommst du darauf?«
»Hier«, damit klopfte sie auf die Weinkiste vom Dachboden, die, nunmehr gesäubert, auf ihrem Schoß stand. »Hier habe ich ein paar höchst romantische Briefe gefunden, die dein Opa deiner Oma vor fast sechzig Jahren geschrieben hat. Und ein Foto von ihm. Wirklich irre, wie sehr du ihm ähnelst.«
Mit einem Satz war Ricardo aus dem Bett. Er machte sich nicht die Mühe, sich etwas überzuziehen, sondern lief nackt an den Tisch. »Zeig her!«
Er riss ihr das Foto förmlich aus den Händen und betrachtete es eingehend. Es war uralt und hatte an einigen Stellen Flecken. Deutlich zu erkennen jedoch war ein junger Pilot, der mit frechem Grinsen an einem Doppeldecker stand. Ricardo konnte es nicht fassen. Abgesehen von dem Oldtimer-Flugzeug, den Klamotten und der vorsintflutlichen Fliegerkappe hätte er selber der Mann auf dem Bild sein können.
56
E ine ältliche Hausangestellte öffnete die Tür. Marisa wurde in den Salon geführt, in dem es überheizt war und nach alten Leuten roch. Sie möge sich einen Moment gedulden, die Senhora käme gleich. Marisa sah sich neugierig um. Bei ihren Großeltern hatte es so ähnlich ausgesehen wie hier. Schwere Möbel mit Samtbezügen; Gemälde von Viermastern inmitten aufgepeitschter Wellen; ledergebundene Bücherrücken in massiven Eichenregalen; jede Menge abscheulicher Kristallvasen, Porzellanfiguren und Fotos von pausbäckigen Kindern in Silberrähmchen.
Was sollte sie jetzt tun? Sie hatte nie vorgehabt, mit Dona Elisabete zu reden. Wenn Ricardo schon nicht gewusst hatte, dass Fernando Abrantes sein Großvater war, ahnte auch die Senhora sicher nicht, dass ihr Mann von einer anderen Frau eine Tochter und einen Enkel hatte. Wenn es denn Fernando Abrantes selber wusste. Genau das wollte sie heute in Erfahrung bringen. Ricardo würde sie erwürgen, wenn er das herausfände.
Marisa hatte sich absichtlich nicht vorher angekündigt. Sie wollte nicht abgewimmelt werden, weder am Telefon noch an der Tür. Sie hatte sich ihre konservativsten Kleider angezogen, eine Brille aufgesetzt und ihr Haar sorgfältig aufgesteckt. Sie sah aus wie eine Gerichtsvollzieherin, was natürlich auch nicht eben ideale Voraussetzungen waren, um nicht abgewimmelt zu werden.
Elisabete Abrantes kam lautlos in das Wohnzimmer. Sie war eine feine alte Dame mit blauen Haaren. Bestimmt war sie einmal sehr hübsch gewesen, dachte Marisa.
»Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte sie in herablassendem Ton, der ihre lebenslange Befehlsgewohnheit verriet.
»Ich wollte eigentlich mit Ihrem
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