So weit der Wind uns trägt
und ein Fest nur mit Frauen und Greisen …«
Jujú setzte zu einer Antwort an, doch Mariana fuhr gleich fort: »Na ja, du wirst sowieso damit beschäftigt sein, den lieben Rui zu unterhalten. Mamã hat die Familie da Costa eingeladen – sie will jetzt endlich Nägel mit Köpfen machen.«
»Ach du liebes bisschen! Wann kommt er denn?«
»Soviel ich weiß, kommen er und seine Eltern übers Wochenende hierher. Wie ist er denn so? Ich habe ihn ja nie kennengelernt, nur seine Eltern. Wenn er denen ein wenig ähnelt, ist er bestimmt sehr nett.«
»Ja, nett ist er.« Jujú hielt kurz inne. Was konnte sie sonst noch über einen jungen Mann sagen, der nach ihrem ›erfolglosen‹ Aufenthalt in Paris zu den aussichtsreichsten Hochzeitskandidaten gehörte, obwohl sie ihn erst zweimal gesehen hatte? Bei der ersten Begegnung, auf ihrem Zwischenstopp in Porto, war sie zunächst positiv überrascht gewesen, wie attraktiv Rui war – sie hatte schon die Vermutung gehabt, es könne sich bei ihm um einen Ladenhüter handeln. Aber nein: Er schien es einfach nur nicht sehr eilig zu haben mit dem Heiraten. An Verehrerinnen mangelte es ihm ganz sicher nicht, gut, wie er aussah, und geistreich, wie er sie unterhielt. Jujú mochte ihn spontan leiden. Auch bei ihrem zweiten Treffen – eine geschäftliche Angelegenheit hatte ihn nach Paris geführt – war sie angetan gewesen von Ruis Witz, seinen Umgangsformen und seinem Erscheinungsbild. Aber zu keinem Zeitpunkt hatte sie je wacklige Knie bekommen, wenn sie an ihn dachte. Er war nett, hübsch, unterhaltsam. Sonst nichts.
»Mehr fällt dir zu deinem künftigen Ehemann nicht ein, als dass er nett ist? Ehrlich, Jujú, das ist ein bisschen dürftig.«
»Erstens: Wer sagt, dass ich ihn heirate? Zweitens: Gibt es eine Eigenschaft, die wichtiger bei einem Ehemann wäre als Nettigkeit? Und drittens: Antworte nicht darauf, erzähle mir lieber, wie die Engländer so waren.«
»Well …«, begann Mariana, und beide Schwestern verbrachten die nächsten Stunden, indem sie einen Lachanfall nach dem anderen bekamen, weil Mariana die Marotten des englischen Landadels aufs Köstlichste parodierte.
Filomena und Rui da Costa trafen am Samstagnachmittag ein. Sie waren erschöpft von der langen Anreise, und ihr Automobil – ein Rennwagen der Marke Klein-Duesenberg »Jimmy Junior« – war völlig verstaubt von der Fahrt über die holprigen Wege. Seit Wochen hatte es im Alentejo nicht geregnet.
»Dona Clementina, Senhor Carvalho, wie schön, dass wir uns endlich wiedersehen!«, freute sich Dona Filomena. »Mein Mann ist leider verhindert, aber er bestellt die allerherzlichsten Grüße. Meine Güte, sehen Sie sich dieses abscheuliche Automobil an! Mein Sohn behauptet steif und fest, es handle sich um ein ganz außergewöhnliches Fahrzeug, aber ich kann Ihnen versichern, dass dies nur gilt, wenn man nicht gezwungen ist, über dreihundert Kilometer darin zurückzulegen. Noch dazu mit einem Fahrer, der es sich in den Kopf gesetzt zu haben scheint, alle Geschwindigkeitsrekorde zu brechen!«
»Sie Ärmste«, bedauerte Dona Clementina ihren Gast, »kommen Sie erst einmal herein, machen Sie sich frisch und trinken Sie einen Café, dann werden Sie sich gleich besser fühlen. So etwas aber auch … Warum haben Sie nicht ein komfortableres Gefährt gewählt oder sind mit der Eisenbahn gekommen?«
»Seien Sie froh, dass Sie keine Söhne haben, meine Liebe! Die jungen Männer verfallen auf die haarsträubendsten Ideen, sobald es sich um Technik handelt. Und als Mutter ist man machtlos gegenüber dieser Leidenschaft.«
Rui hatte die Fahrt deutlich weniger mitgenommen als seine Mutter. Im Gegenteil. Als er ausstieg, waren seine Bewegungen geschmeidig und seine Wangen gerötet, wie nach einem Tennismatch, das er ohne große Anstrengung gewonnen hatte. Seine Kleidung sah aus, als ob er sich gerade erst umgezogen hätte. Kein Stäubchen, keine Knitterfalte verunzierte den hellen Anzug, der geradewegs von einem Maßschneider auf der Londoner Savile Row zu kommen schien. Auch sein Haar, das er mit Pomade glatt an den Kopf gekämmt hatte, war tadellos frisiert. Neben seiner Mutter, die leicht derangiert wirkte, sah Rui aus wie ein junger Gott, dessen perfektes Antlitz weder durch Hitze noch durch Schmutz oder körperliche Strapazen auch nur den geringsten Schaden nehmen konnte.
Mariana starrte Rui mit offenem Mund an, als handelte es sich um eine Erscheinung. Erst als er sich an sie wandte, um sie zu
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