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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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immer streunende Hunde herumschnüffelten.
    »Der neue Verwalter taugt anscheinend nicht viel. Fernando hat damals alles viel besser in Schuss gehalten.«
    »Ja, den Eindruck habe ich auch«, erwiderte Jujú. Sie wunderte sich darüber, dass Mariana sich überhaupt mit derlei praktischen Dingen beschäftigte. Bis vor kurzem hatte ihre Schwester an nichts anderes als an Poesie und tragische Romanzen gedacht.
    »Es ist schade, dass er gegangen ist, findest du nicht?«
    Daher wehte also der Wind! Plötzlich verstand Jujú, worauf Mariana hinauswollte. Gar so sehr hatte sich ihre Schwester demnach doch nicht verändert.
    »Ja, vor allem ist es schade für Papá.« Jujú warf Mariana einen skeptischen Blick aus dem Augenwinkel zu. Sie hatte nicht vor, sich mit diesem Kindskopf auf ein Gespräch über eine alte, beinahe vergessene Jugendliebe einzulassen. »Aber für Fernando wird es wohl das Beste gewesen sein.«
    »Vielleicht. Aber war es auch für dich das Beste?«
    »Bitte, Mariana, was soll das? Hätte ich ihn heiraten und ihm seine
migas
in einem Kork-Henkelmann aufs Feld hinterhertragen sollen?«
    Marianas Augen waren schwärmerisch in die Ferne gerichtet. »Er war ein wunderbarer Mann – klug, gutaussehend, mutig …«
    »Herrje, geh doch zu ›Marianas Fenster‹ am Kloster und tu es dort deiner Namensvetterin gleich. Schmachte ein bisschen und denk mal darüber nach, wie es sein kann, dass du auf demselben emotionalen Stand bist wie eine liebeskranke Nonne aus dem siebzehnten Jahrhundert. Ich finde das jedenfalls nicht normal.«
    »Erstens glaube ich nicht, dass es in Herzensangelegenheiten einen großen Unterschied zwischen dem siebzehnten und dem zwanzigsten Jahrhundert gibt. Zweitens leide ich ja nicht um meinetwillen. Ach, Jujú, ihr wart ein so schönes Paar!«
    »Wir waren nie ein Paar. Es ist nichts zwischen uns passiert, wovon nicht auch Mamã erfahren dürfte. Wir waren ineinander verschossen, ja, aber ehrlich, Mariana: Wir waren Kinder!«
    »Ihr wart keine Kinder. Und ihr wart mehr als nur ineinander verschossen – ihr habt euch geliebt. Weißt du, Jujú, ich habe dich immer ein bisschen beneidet um die Größe eurer Gefühle füreinander. Ich finde es sehr traurig, dass es so enden musste. Ich hatte immer gehofft, dass ihr euch über alle Widerstände hinwegsetzen würdet. Gut, das war womöglich zu naiv von mir. Aber dass du dich nun von diesem Maulhelden von Rui blenden lässt, finde ich offen gestanden sehr enttäuschend.«
    »Ich darf dich daran erinnern, dass Fernando es war, der gegangen ist. Außerdem weiß ich gar nicht, was du gegen Rui hast. Er ist doch ein außergewöhnlich angenehmer Zeitgenosse, und er …«
    »… hat keinen Charakter. Im Gegensatz zu Fernando. Ach, er war so grandios an diesem Abend, als er hereinplatzte und das Verschwinden des Wagens berichtete. Weißt du noch? Wie er in seinen derben Kleidern in unserem piekfeinen Salon stand, nach Feldarbeit roch und aussah wie ein richtiger Mann?«
    Jujú sah ihre mollige Schwester an und fühlte starkes Mitleid. Sie war ganz offensichtlich verliebt in Fernando.

7
    E s war eine Prüfung des Herrn, noch dazu eine der schwersten, die ihm je auferlegt worden waren. Hatte er nicht immer ein gottgefälliges Leben geführt, den größten Versuchungen widerstanden und alles in seiner Macht Stehende getan, um den Frieden in seiner Gemeinde aufrechtzuerhalten? Es war ihm gelungen, die Interessen des
latifundiários
zu denen der Landarbeiter zu machen, und anders als in zahlreichen Nachbargemeinden gab es bei ihm kaum einen kommunistischen Aufwiegler. Immer hatte er das Wohl seiner Schäfchen im Auge behalten, und das beschaulich-bäuerliche Idyll war durch nichts aus seiner Schläfrigkeit aufzuwecken. Warum also schickte der gütige Vater im Himmel ihm dieses Mädchen ins Haus?
    Padre Alberto mochte mit seinen 53  Jahren nach alentejanischen Maßstäben schon alt sein. Doch der Herrgott hatte ihm zwar fast sein ganzes Haupthaar sowie ein Gutteil seiner Sehkraft genommen, nicht aber seine sündigen Gedanken. War das nicht der eigentliche Trost des Älterwerdens, das Abflauen der fleischlichen Begierden und damit einhergehend das Anwachsen von Weisheit, Güte und Milde? Nun, mit ihm hatte der Herr es offenbar nicht so gut gemeint. Padre Alberto bekreuzigte sich für diesen ketzerischen Gedanken, nur um unmittelbar darauf weiter mit seinem Schicksal zu hadern. Aber zum Glück war Maria da Conceição nicht nur das hübscheste Mädchen

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