So weit der Wind uns trägt
im Dorf, sondern auch das züchtigste.
Als Conceição mit siebzehn Jahren als Dienstmädchen bei dem Padre angefangen hatte, waren viele Dorfbewohner, vor allem die reiferen Senhoras, entsetzt gewesen. Wenn eine ältere Witwe dem Pfarrer den Haushalt führte, war das in Ordnung. Sogar wenn sie ihm das Bett wärmte, sah man stillschweigend darüber hinweg, solange dieses gottlose Treiben unauffällig geschah. Aber ein ganz offenkundig noch unschuldiges Mädchen? Das konnte nicht recht sein. Wie sollte ein so junges Ding wissen, wo sie dem Padre sowie sich und ihrer Dienstbeflissenheit Grenzen zu setzen hatte? Alle in der
aldeia
zerrissen sich das Maul über den Pfarrer und die unchristlichen Bedürfnisse, die man ihm unterstellte. Die Männer vor Neid, die Frauen vor Empörung.
Maria da Conceição belehrte sie eines Besseren. Sie war sich durchaus darüber im Klaren, was die Leute dachten, und hatte nicht vor, hässlichen Gerüchten noch Nahrung zu geben. Sie verrichtete ihren Dienst vorbildlich, und die boshaftesten Klatschweiber des Dorfs halfen ihr dabei. »Dona Fernanda, Sie müssen mir unbedingt beibringen, wie ich den Spitzensaum dieses Altartuchs ausbessere«, hatte sie sich bei der Bäckersfrau angebiedert, oder »Tia Joaninha, ich bin verloren, wenn Sie mir nicht das Geheimrezept Ihrer Möbelpolitur verraten!«, bei der Witwe des Böttchers. Die Frauen waren sofort zur Stelle. Es war ihnen eine Ehre, dem Padre die Standhaftigkeit ihres Glaubens zu beweisen. Mehr als darüber jedoch waren sie hocherfreut, die Zustände im Pfarrhaus mit eigenen Augen überprüfen zu können. Und sie fanden nicht den Hauch eines Hinweises auf unsittliche Vorgänge irgendwelcher Art. Wie auch? Maria da Conceição sorgte dafür, dass es im Pfarrhaus zuging wie in einem Bienenstock – mit dem Ergebnis, dass das Haus das in jeder Hinsicht ordentlichste im gesamten Bezirk war.
Noch immer dankte sie ihrem Bruder für dessen Weitsicht. Fernando hatte vorhergesehen, wie die Leute reagieren würden. Er hatte sie gewarnt und ihr eingeschärft, wie sie sich verhalten sollte. »Meine kleine Conceição«, hatte er sie angesprochen, »die Menschen unterstellen anderen immer nur das Schlechteste. Du musst besser als gut, frömmer als fromm, sittsamer als sittsam, tüchtiger als tüchtig sein, bevor du sie irgendwann einmal davon überzeugen kannst, dass du etwas taugst.«
Conceição hatte sich damals über den väterlichen Ton ihres Bruders aufgeregt, wie sie sich überhaupt über seine andauernde Bevormundung und seine herrische Art geärgert hatte. Heute, mit 21 Jahren, sah sie ein, dass sein Rat richtig gewesen war. Die Senhoras mit heiratsfähigen Söhnen rissen sich um Conceição als Schwiegertochter, obwohl alle wussten, dass ihre Mitgift sehr dürftig ausfallen würde. Das Mädchen war bildschön, klug, anständig und fleißig, und allein diese seltene Mischung an löblichen Eigenschaften machte es zu einer guten Partie. Umgekehrt riss Conceição sich allerdings nicht um einen einzigen der Söhne – und die sich nicht um sie.
Mit zunehmendem Alter wurde Maria da Conceição ihrem älteren Bruder vom Wesen her immer ähnlicher. Sie und Fernando waren aus demselben Holz geschnitzt. Conceição verlor nie ein überflüssiges Wort. Sie hatte wenig übrig für Freizeitbelustigungen, und weder die Musik noch das Tanzen lagen ihr. Sie war ehrgeizig bis hin zur Verbissenheit. Doch während Fernando dieser Ehrgeiz in seiner militärischen Laufbahn sehr zugutekam, sorgte er bei Conceição für eine an Fanatismus grenzende Religiosität. Die Burschen nannten sie untereinander nur noch »die heilige Jungfrau Maria«. Mit einem solchen Ausbund an Tugend wollte es niemand aufnehmen, da konnte das Mädchen so hübsch sein, wie es wollte.
Maria da Conceição war darüber nicht unglücklich. Die lüsternen Blicke des Padre waren schon schlimm genug, auf weitere Nachstellungen war sie weiß Gott nicht erpicht. Es sei denn, sie wären von
ihm
gekommen – aber da würde sie bis zum Sankt Nimmerleins-Tag warten können. Sie musste sich verbieten, dem einzigen Mann, der je Zugang zu ihrem Herzen gefunden hatte, nachzutrauern. Edmundo war unerreichbar für sie.
Im letzten Winter waren er, seine Eltern und sein Bruder hier im Dorf aufgetaucht. Sie hatten eine Reifenpanne, und da es ein Sonntag war und alle Leute die Messe besuchten, war zunächst niemand aufzufinden gewesen, der den Schaden behob. Als die Gemeinde die Kirche verließ,
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