So weit der Wind uns trägt
darum, dass die Suppe gestreckt und vier weitere Gedecke aufgelegt wurden, und vergaß bei alldem nicht, die Leute von Kopf bis Fuß zu taxieren. Man konnte ja nicht jeden Pechvogel mit einem Mittagessen empfangen, noch dazu mit einem so schönen
lombo de porco
, wie er am heutigen Sonntag auf dem Speisezettel stand. Aber die Familie Soares Pinto bestand die erste Prüfung mit Bravour. Genau wie alle weiteren, die sie seitens des Hausherrn und dreier anwesender Töchter über sich ergehen lassen musste.
Man fand schnell heraus, dass man einen ähnlichen Lebensstil und die politische Gesinnung teilte, dass die Trockenheit des vergangenen Herbstes auch in der Algarve schwere Schäden angerichtet hatte, dass die Herren Söhne genau wie die werten Töchter exklusive Ausbildungen genossen hatten. Dona Clementina war froh über die Störung ihrer Routine. Die Leute waren intelligent und unaufdringlich, und die Präsenz der zwei jungen Männer war ein unverhoffter Glücksfall. Vielleicht erwärmte sich einer von beiden ja sogar für ihre Beatriz?
Doch es war wie immer. Der hübschere der beiden Söhne, Edmundo, hatte nur Augen für Jujú, während der andere, Octavio, sich intensiv mit Mariana beschäftigte. Alle paar Minuten hörte man Marianas unbekümmertes Lachen von der Veranda herüberschallen, wo die jungen Leute die milde Wintersonne bei einer Tasse Schokolade genossen. Beatriz hatte sich der Gruppe nicht angeschlossen. Sie wirkte dabei weniger gekränkt, dass wieder einmal kein Mann von ihr Notiz nahm, als vielmehr erleichtert, dass sie ihre Zeit nicht mit solchen unwürdigen Burschen verschwenden musste.
Als ein Mann aus dem Dorf zum
monte
hinaufgeritten kam, um die frohe Kunde zu überbringen, dass das Automobil nun wieder fahrtüchtig sei, wirkten sowohl die Carvalhos als auch die Soares Pintos ein wenig enttäuscht. Der Nachmittag hatte sich für sie alle als unerwartet kurzweilig erwiesen. Padre Alberto sagte ein stummes Dankgebet. Der liebe Gott hatte ihm die richtige Eingebung geschenkt – was seinem Ansehen bei dem Patrão bestimmt nicht schaden konnte.
Einige Tage darauf ergab sich für Maria da Conceição endlich die Gelegenheit, die sie so herbeigesehnt hatte. Eine der Carvalho-Töchter tauchte im Dorf auf, um der bettlägerigen Dona Luisa, die einst als Dienstmagd auf Belo Horizonte gearbeitet hatte, Essen vorbeizubringen. Darauf beschränkten sich allerdings die karitativen Handlungen der jungen Damen: Sie brachten Bratenreste oder altbackene
biscoitos
mit – während Maria meist diejenige war, die den Kranken, die keine Angehörigen mehr hatten, die Bettpfanne unterhalten oder übel riechende Verbände wechseln musste. Maria konnte sich darüber nicht aufregen. Es war nun einmal die gottgegebene Ordnung der Welt. Und die stellte sie nur in einem einzigen Punkt in Frage.
»Menina Mariana, wie gut, dass ich Sie hier treffe«, sagte sie in unterwürfigem Ton, als diese die Kammer von Dona Luisa betrat. »Ich möchte Sie wirklich nicht belästigen, aber Sie könnten mir einen großen Gefallen erweisen.«
Mariana schaute das ein paar Jahre jüngere Mädchen fragend an, sagte jedoch nichts. Maria da Conceição war verunsichert. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr.
»Ja, also, es ist so: Da waren doch neulich diese Leute im Dorf, die mit der Reifenpanne. Und die sind doch dann zu Ihnen raufgefahren. Und da dachte ich mir …« Conceição schluckte. Nein, sie würde noch einmal von vorn beginnen müssen. »Also, es ist so, dass einer der jungen Herren einen Manschettenknopf verloren hat, der dünnere von beiden. Ich würde ihn ihm gerne zurückschicken, ich meine, vielleicht bekomme ich ja sogar einen Finderlohn, das Stück sieht aus, als sei es von einigem Wert.« Sie räusperte sich. Die ganze Lügengeschichte erschien ihr plötzlich so unglaubhaft, so durchsichtig, dass sie vor Scham errötete.
»Aber du brauchst doch nicht rot zu werden! Selbstverständlich helfe ich dir. Gib mir einfach den Manschettenknopf, ich werde ihn dann dem Senhor Edmundo zukommen lassen. Ganz bestimmt wird er deine Ehrlichkeit angemessen honorieren.«
Maria da Conceição brach der kalte Schweiß aus. Nun wusste sie zwar den Namen des jungen Mannes, befand sich dafür aber in einer Lage, aus der sie sich kaum herauszumanövrieren wusste. Oh Gott, das hatte sie nun von ihren Lügen!
»Nein, Menina Mariana, auf keinen Fall lasse ich zu, dass Sie sich meinetwegen Umstände machen. Ich würde meinen Fund lieber
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