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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Geschichte mit frohem Ausgang – anders als in den Romanen, die Mariana so gern las. Octavio teilte Marianas Vorliebe für die Literatur, auch das eine gute Voraussetzung für den Bestand dieses Glücks.
    »Komm, meine Schöne. Tanz mit mir.« Rui wartete keine Antwort ab. Er legte den Arm um Jujús Taille und schob sie zur Tanzfläche. Die Kapelle spielte eine Polka. Sie ließ sich gerne von ihm führen. Rui war ein begnadeter Tänzer, der sie temperamentvoll herumwirbelte und artistische Einlagen mit ihr vollführte, die ihr mit keinem anderen Mann gelungen wären. Es war wirklich schön, sich in der festen, aber keineswegs verkrampften Umarmung von Rui zu drehen. Es erlaubte ihr, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Ihr eigenes Glück zum Beispiel. Würde sie es an Ruis Seite finden? Sicher, er war ein unverschämt gut aussehender Mann mit geschliffenen Umgangsformen, tadelloser Herkunft und einer vielversprechenden Zukunft. Er hatte liberale Ansichten, die ihrem Vater missfielen, Jujú selber aber durchaus ansprachen. Er war äußerst charmant, und er war geistreich. Jujú fand allerdings, dass sein Esprit auch von einem gewissen Zynismus zeugte, einer seelischen Kälte. Nun ja, man konnte nicht alles haben, oder? Und Rui war der bei weitem attraktivste Mann, der ihr in den letzten Jahren den Hof gemacht hatte. Sie würde ihn heiraten – und mit ihm höchstwahrscheinlich bis ans Ende ihrer Tage ein ausgefülltes, zufriedenes Leben führen. Kein Zweifel bestand jedenfalls daran, dass sie ihre Mutter damit glücklich machen würde. Jujú sah kurz zu Dona Clementina hinüber, die am Rand des Tanzbodens stand und in deren Miene sie einen Ausdruck der Verzückung wahrnahm. Ihre Mutter wirkte, als sei sie selber verliebt in Rui.
    Dona Clementina beobachtete ihre Jüngste und deren Verlobten. Ja, sie passten ausgezeichnet zusammen. Beide klug, schön und stolz. Es würde sicher keine leichte Ehe werden, aber zumindest auch keine langweilige. Rui, fand sie, war umwerfend. Selbstverständlich erhoffte sie sich von einem guten Schwiegersohn andere Qualitäten, Reichtum etwa oder Anstand und Treue, dennoch konnte sie sich der Anziehungskraft Ruis kaum entziehen. Er war eine Augenweide in seinen maßgeschneiderten Anzügen und mit dem akkurat gestutzten Schnurrbart. Sie mochte in den Augen ihrer Töchter alt und welk und in den Augen der Männer vielleicht keine attraktive Frau mehr sein – allein Rui hatte die Gabe, ihr mit einem tiefen Blick aus seinen grauen Augen das Gefühl zu geben, sie sei jung und begehrenswert. Der Mann war ein Charmeur sondergleichen, was seiner künftigen Frau wahrscheinlich ein Dorn im Auge wäre. Aber wenn ihn eine bändigen konnte, dann war es Jujú. Im Übrigen bestand keine Veranlassung, sich jetzt den Kopf über die möglichen Eheprobleme zwischen den beiden zu zerbrechen. Die extrem günstigen Begleitumstände dieser Eheschließung ließen keinen Raum für Bedenken.
     
    Um acht Uhr wurde zu Tisch gebeten. Drei lange Tafeln waren aufgebaut worden, eine im Speisezimmer, eine im Salon und eine auf der Veranda, auf der man mit Zeltplanen und kleinen Kohleöfen für eine gemütliche Atmosphäre gesorgt hatte. Für die insgesamt rund zwanzig Kinder hatte man auf dem alten Heuboden eine Art Räubertafel aufgebaut. Die Kinder waren begeistert, dass sie den langweiligen Gesprächen der Erwachsenen entkommen konnten, und die Erwachsenen waren froh, für eine Weile von Zappeln, Toben, Geheul und Geschrei verschont zu bleiben.
    Die Tische waren mit feinsten Damasttüchern, Sèvres-Porzellan und Silberbesteck eingedeckt worden. Opulente Blumengestecke und herrliche Kerzenleuchter zierten die Tafeln. An jedem Platz lag eine Karte aus Büttenpapier, mit einer feinen Goldkordel versehen und in goldener Schnörkelschrift bedruckt, der die Speisenfolge zu entnehmen war – die Dona Clementina fast haargenau einem Menü abgeschaut hatte, das sie vor Jahren bei einem Empfang in Paris genossen hatte. Zur Einstimmung gab es eine Consommé Madrilène, als eigentliche Vorspeise getrüffelte
foie gras de canard
, dann kamen, als erstes Hauptgericht, Seezungenfilets, als Zwischengang wurde ein Sorbet von Passionsfrüchten gereicht, als zweite Hauptspeise sollten Wildschweinmedaillons in Mandelkruste aufgetischt werden, und schließlich wurden noch verschiedene Desserts und Käsesorten genannt. Auch die gereichten Weine und einige der zur Auswahl stehenden Spirituosen wurden auf den Karten verzeichnet: ein

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