So weit der Wind uns trägt
dunkelgrauen Anzug genau ab. Kräftig, ohne klobig zu wirken, und schlank, aber nicht schlaksig. Schmale Hüften, breite Schultern, lange Beine – er war einfach perfekt. Er trug ein Paar einfache Schnürschuhe, denen Jujú trotz des Staubes ansah, dass er sie vor seinem Weg hierher auf Hochglanz gewienert haben musste. In der Hand hielt er einen flachen, modischen Hut, das einzige Accessoire, das eine gewisse Eitelkeit verriet.
»Wenigstens dem Baum bist du treu«, begrüßte er sie. Er klang nicht verletzt, gekränkt oder traurig. Er sagte es mit derselben neutralen Betonung, mit der er auch den Fruchtstand des Weizens festgestellt hätte.
»Und er mir.« Was fiel Fernando nur ein, fragte sich Jujú. Er war doch derjenige gewesen, der fortgegangen war, der sich nicht mehr gemeldet hatte, der alle Brücken zu seiner Vergangenheit abgerissen hatte.
»Du hast dich verändert«, sagte er. Wieder war die Betonung so flach, dass Jujú nicht wusste, wie sie es zu deuten hatte.
»Nicht so sehr wie du. Komm, setzen wir uns. Erzähl mir, wie es dir ergangen ist. Gut, wie es aussieht.« Jujú versuchte, die Begegnung auf das Niveau eines Gespräches zu bringen, wie sie es auch mit einem Senhor da Cunha hätte führen können. Es erschien ihr völlig abwegig, so zu tun, als seien sie einander so vertraut wie früher.
»Hast du meine Briefe nicht gelesen?« Jetzt schlich sich doch noch ein Hauch von Gefühl in Fernandos Stimme. Er klang verbittert, als er weitersprach. »Nein, natürlich nicht. Sonst hättest du ja bestimmt einmal geantwortet. Ein einziges Mal, Jujú, nur ein Brief von dir, eine kurze Notiz, eine Postkarte«, er sah sie traurig an, »das hätte mir viel bedeutet.«
»Ich habe keinen deiner Briefe je erhalten.«
»Es waren nicht so viele, wie ich hätte schreiben wollen, ich gebe es ja zu. Aber über die Jahre müssen doch sicher so an die zehn, fünfzehn Stück zusammengekommen sein. Es wurden nachher weniger, weil ich von dir nie eine Antwort erhielt.«
»Nicht einen davon habe ich zu Gesicht bekommen«, flüsterte Jujú. »Irgendjemand muss sie an sich genommen haben.«
Sie starrten einander eine Weile an, eins in der Bestürzung über diese Entdeckung, in der Wut auf den unbekannten Verräter und dem Sinnieren darüber, was hätte sein können. Aber welchen Zweck hatte es, über verpasste Gelegenheiten nachzudenken? Keinen.
Fernando schien ähnlich darüber zu denken wie Jujú, denn sie hielten sich nicht weiter damit auf, den Briefdieb hier oder dort zu vermuten. Es war völlig gleich, ob ein Kamerad Fernandos oder jemand aus dem Haushalt der Carvalhos der Schuldige war. Es war ohnehin zu spät für sie beide. Sie hatten sich auseinandergelebt, waren in verschiedenen Welten unterwegs gewesen, hatten jeder seine eigenen Zukunftspläne gemacht, die den anderen nicht mit einschlossen, hatten andere geküsst.
»Hast du«, fragte Jujú zögerlich mit einem Blick auf seine Finger, an denen kein Ring steckte, »kein Mädchen? Keine Verlobte?«
Er sah sie durchdringend an.
»Doch.«
»Das freut mich für dich.« Mehr brachte Jujú nicht heraus. Es versetzte ihrem Herzen einen Stich. Woher wollte sie das Recht nehmen, eifersüchtig zu sein? Obwohl sie es Fernando gönnte, dass er eine passende Frau gefunden hatte, sie daher auch nicht diese vollkommen irrationalen Gewissenbisse angesichts ihrer eigenen Verlobung haben musste, tat es ihr in der Seele weh.
»Sie ist sehr schön, sehr klug. Und sehr grausam.«
»Oh. Das tut mir leid.«
»Sollte es dir auch.« Wieder sah Fernando sie herausfordernd an. Jujú wandte den Blick ab. Meinte er sie selbst? Betrachtete er sie allen Ernstes, nach allem, was zwischen ihnen lag, noch als die Seine? Sie schwankte zwischen Erleichterung darüber, dass er keine andere hatte, und Zorn über seine anmaßende Natur. Was bildete er sich ein? Warum hielt er sie für grausam? Konnte sie denn etwas dafür, dass sich alles gegen sie verschworen zu haben schien? Und was genau sollte ihr leidtun? Dass sie nicht hundert Jahre auf den Prinzen warten mochte, in den zu verwandeln er sich vorgenommen hatte? Wobei sie, gestand Jujú sich ein, genau das getan hatte, wenngleich ohne Absicht. Warum sonst hätte sie mit der Verlobung mit Rui so lange gezögert? Dieser Gedankengang löste in ihr eine neuerliche Aufwallung von Ärger aus – über die Welt im Allgemeinen und sich selbst im Besonderen –, den sie jedoch hinter einer gelangweilten Miene verbarg.
»Wenn du wütend
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