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So weit die Hoffnung trägt - Roman

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Titel: So weit die Hoffnung trägt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sich die Schuld.
    Noch komplizierter wird es dadurch, dass Hanks eigener Vater jung starb und seine Mutter nie wieder geheiratet hat. Nach dem, was er gesagt hat, denke ich, er glaubt, wieder zu heiraten würde Matts Ehre beschmutzen. Und so haben sie die finanziellen Daumenschrauben angesetzt, damit ich tue, was sie wollen.«
    »Das ist nicht richtig«, sagte ich.
    »Nein, nicht richtig, aber raffiniert. So bekommen Hank und Nancy ihren Willen und singen trotzdem jeden Sonntag mit einem reinen Gewissen im Kirchenchor.« Sie seufzte. »Entschuldigung, dass ich das alles bei Ihnen ablade. Es tut nur so gut, jemanden zu haben, mit dem ich reden kann. Hier gibt es niemanden, dem ich das alles sagen könnte, ohne dass sie es erfahren. Es tut mir leid, dass ich Sie angelogen habe.«
    »Nein, Sie sind in einer verzwickten Lage. Das verstehe ich.«
    Wir standen beide einen Augenblick schweigend da. Schließlich sah sich Analise in der Küche um und nahm ihre Schürze ab. »Es ist schon spät. Ich mache den Abwasch morgen fertig. Ich bringe die Kinder früh zur Schule, und dann fahre ich zur Arbeit, das heißt, wenn Sie ausschlafen wollen, machen Sie sich einfach selbst ein Frühstück. Im Kühlschrank gibt es Obst und Jogurt, und Müsli steht im Küchenschrank.«
    »Okay«, sagte ich. »Danke.«
    Sie starrte mich einen Moment an, dann lächelte sie traurig. »Gute Nacht, Alan. Es war nett, Besuch von Ihnen zu haben.«
    »Gute Nacht, Analise. Danke für alles.«
    Sie legte ihre Schürze auf den Tisch und ging dann, mit einem letzten, verstohlenen Blick auf mich, hoch in ihr Schlafzimmer. Ich ging in mein Zimmer und zu Bett.

Achtzehntes Kapitel
    Die Eingeschlossenen machen sich weniger
Gedanken um Vorschriften als um die Flucht.
    A LAN C HRISTOFFERSENS T AGEBUCH
    Ich weiß nicht, wie spät es war, als ich aufwachte. Im Allgemeinen habe ich keinen sehr leichten Schlaf, aber jetzt war ich von einem schwachen Licht auf dem Flur aufgeschreckt. Ich sah hinüber. Analise stand im Türrahmen, ihre zierliche Gestalt als Silhouette sichtbar vor dem Licht. Sie schloss leise die Tür, dann trat sie an mein Bett. Ich lag da und sah zu ihr hoch. Sie atmete schwer, sagte aber nichts.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte ich.
    Einen Augenblick lang sah sie mich nur an. Dann kniete sie sich neben das Bett. Mein Zimmer war in den bläulichen Schimmer des Mondes getaucht, und ich konnte ihre Augen sehen, dunkel, einsam, voller Schmerz. »Nein, es geht mir nicht gut.« Sie holte einmal tief Luft. Dann starrte sie mir gebannt in die Augen und sagte: »Würden Sie mit mir schlafen?«
    Einen Augenblick lang starrte ich sie nur an. Sie sah verletzlich aus – schön, einsam und verletzlich. Mein Körper schrie nach ihr, aber ich schüttelte langsam den Kopf. »Nein.«
    Sie senkte den Blick. Eine Sekunde später fragte sie: »Bin ich nicht hübsch genug?«
    »Das ist es nicht«, sagte ich.
    »Was ist es denn dann?«
    »Sie gehören mir nicht.«
    Sie berührte meinen Arm. Eine Träne lief ihr über die Wange. »Heute Nacht werde ich Ihnen gehören«, flüsterte sie. »Ich werde nichts von Ihnen verlangen, Sie zu nichts verpflichten. Versprochen.«
    Ich stützte mich auf einen Ellenbogen auf. »Analise …«
    »Ich will nur, dass mich jemand liebt.«
    Ich sah ihr in die Augen. »Das verstehe ich. Aber ich kann das nicht.«
    Einen Augenblick später wischte sie sich mit dem Handrücken die Augen. »Entschuldigung. Es ist mir so peinlich.«
    »Möchten Sie, dass ich gehe?«, fragte ich.
    Sie senkte den Blick, schüttelte aber den Kopf. »Nein.« Sie rieb sich die Augen. »Sie müssen mich für einen schrecklichen Menschen halten.«
    »Nein, ganz bestimmt nicht.«
    Sie kniete kurz neben mir, dann stand sie seufzend auf. »Gute Nacht.« Sie wandte sich zur Tür.
    »Analise«, sagte ich.
    Sie blieb stehen, drehte sich langsam um. Ihr Gesicht war nass von Tränen.
    »Komm zurück.«
    Sie sah mich nur an.
    »Komm her. Bitte.«
    Sie kam langsam an mein Bett. Ich rückte zur Seite, machte ihr Platz. »Lass dich festhalten.«
    »Aber …«
    Ich schlug die Bettdecke zurück und nahm ihre Hand. »Leg dich hin. Ich will dich nur im Arm halten.« Sie setzte sich auf die Bettkante, dann hob sie die Beine aufs Bett. Ich schlang die Arme um sie, zog sie nah an mich, sodass unsereGesichter nebeneinander waren. Ich flüsterte ihr ins Ohr: »Ich weiß, wie es ist, sich so einsam zu fühlen, dass einem einfach alles egal ist. Du bist kein schrecklicher Mensch, du leidest

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