So weit die Wolken ziehen
wahrscheinlich über St. Pölten und Pöchlarn Richtung Linz weiter.«
Irmgard ging zu Frau Brüggen. »Tante Lene«, sagte Irmgard, »soll Ruth nicht doch besser zu unserer Gruppe kommen? Ich werde auf sie aufpassen.«
Frau Brüggen wies Irmgard nicht zurecht, weil sie sie nicht wie abgemacht mit »Frau Brüggen« anredete. »Irmi, ich habe es deiner Mutter versprochen, das Kind wie meinen Augapfel zu hüten. Ich denke, sie sollte bei ihrer Klasse und mir bleiben.«
»Aber ich bin ihre Schwester«, beharrte Irmgard. »Frag sie doch selbst, mit wem sie gehen will.«
Frau Brüggen rief Ruth zu sich und Irmgard schlug ihr vor, sich ihr anzuschließen.
»Ihr habt mich in eurer Stube nicht haben wollen. Jetzt bleibe ich bei Frau Brüggen und meiner Klasse. Wir sehen uns ja heute Abend wieder.«
Anna kam angerannt. »Irmgard, wir warten schon auf dich. Komm endlich.«
Ab und zu stoppte ein Lkw und nahm eine Gruppe mit. Gegen neun fanden auch die Gruppen der Lehrerinnen Wisnarek, Hennig und Weber einen Wagen. Aber dann ging nichts mehr. Frau Lötsche, Frau Krase mit Frau Theiß, Frau Brüggen, Schwester Nora und Dr. Scholten und ihre Schülerinnen standen am linken Straßenrand, winkten und baten vergebens, dass jemand sie mitnahm. Ob die Fahrer fürchteten, die vielen Mädchen würden ihren Lastwagen stürmen, oder ob sie keine Zeit verlieren wollten, kein einziger Wagen stoppte. Von einem Kirchturm in der Nähe schlug die Glocke schon elf.
Plötzlich verlangsamte ein offener Personenwagen sein Tempo, fuhr nach links aus der Schlange heraus und hielt direkt vor den Mädchen von Frau Brüggens Gruppe. Ein Offizier sprang heraus.
»Wir müssen weiter, Herr Leutnant«, drängte der Fahrer, doch der Offizier beachtete ihn nicht. Er schlug seinen Mantelkragen hoch und ging auf Frau Brüggen zu. »Was ist hier los?«
»Seit acht Uhr stehen wir hier. Keiner nimmt uns mit.«
»Drei Stunden schon? Und alle fahren ganz einfach weiter?«
Frau Brüggen nickte. »Kein Platz für uns«, sagte sie leise.
»Unglaublich! Das wollen wir doch mal sehen.« Der Offizier wandte sich an den Fahrer: »Schröder, nehmen Sie die MP und kommen Sie mit mir.«
Der Fahrer, ein mittelgroßer, stämmiger Obergefreiter, setzte seinen Stahlhelm auf und griff nach der Maschinenpistole. Zögernd stieg er aus. Der Leutnant hatte inzwischen seine Waffe aus der Pistolentasche am Gürtel gezogen, rückte seine Mütze zurecht und ging auf die Lkw-Schlange zu. Der Gefreite folgte ihm und hob die MP ein wenig an.
Sofort bremste ein Lkw. Der Fahrer lehnte sich aus dem Fenster. »Was gibt’s? Wir haben es eilig, Herr Leutnant.«
»Sie nehmen die Mädchen mit.«
»Alle? Der Wagen ist voll.«
»Der Anhänger auch?«
»Nicht ganz«, gab der Fahrer zu.
Der Leutnant hob seine Pistole. »Aussteigen und die Ladeklappe öffnen!«
Hastig kletterte der Fahrer heraus.
Der Offizier schaute in den Laderaum. Nur zwei Kisten standen dort. Er winkte Frau Brüggen zu. »Kommen Sie mit Ihren Mädchen. Schnell.«
Sie hob die kleineren Mädchen auf den Anhänger. Die größeren kletterten selbst hinauf. Es wurde eng auf der Ladefläche, aber die ganze Gruppe fand Platz. Inzwischen hatte sich hinter dem Wagen eine Schlange gebildet.
Frau Brüggen winkte Frau Krase zu und rief: »Mach’s gut, Luise. Hoffentlich bis heute Abend in Wilhelmsburg.«
Die Wagen in der Schlange begannen zu hupen. Der Leutnant ließ sich davon nicht beeindrucken. Während der erste Lkw mit Frau Brüggen und ihrer Gruppe losfuhr, stiegen Frau Theiß und Frau Krase mit ihren Kindern in den nächsten Lkw. Dann war Frau Lötsche an der Reihe.
Keine halbe Stunde war vergangen, da standen als Letzte nur noch die großen Mädchen mit Dr. Scholten und Schwester Nora auf dem Platz. Ein Lkw wurde gestoppt, aber der Fahrer sagte nur: »Ich bin voll bis auf den letzten Quadratzentimeter, Herr Leutnant.«
Der Offizier fuhr ihn ungeduldig an und hob dabei seine Pistole: »Und die beiden Anhänger?«
»Auch voll, Herr Leutnant.«
»Aussteigen. Öffnen.«
Der Fahrer stieg unwillig aus und zeigte dem Leutnant die Ladung. Tatsächlich war der Lkw voller Ölfässer. Der Offizier wollte schon die Erlaubnis zur Weiterfahrt geben, da klopfte er gegen eines der Fässer. Es klang hohl.
»Alle leer?«, fragte er.
»Jawoll, Herr Leutnant. Leere Ölfässer.«
»Abladen.«
»Wie bitte?«
»Spreche ich undeutlich? Ich gebe Ihnen den Befehl: Fässer abladen und die Mädchen rauf.«
Der Soldat winkte
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