So weit die Wolken ziehen
wütend seinen Beifahrer zu sich. Gemeinsam warfen sie die Fässer auf den Platz.
»Jetzt schnell aufsteigen, ihr Hübschen«, sagte der Offizier.
Dr. Scholten sprang als Letzter auf den Wagen. Der Fahrer des Offiziers verriegelte die Heckklappe des Anhängers. Die Autos in der Schlange hupten immer wieder. Sie hörten erst damit auf, als der Lkw anruckte.
Der Leutnant schob seine Waffe wieder in die Pistolentasche. Sein Fahrer grinste und sagte: »Ich werde Sie für das Ritterkreuz vorschlagen, Herr Leutnant.« Beide stiegen ein. Der Wagen brauste los und ordnete sich in die Schlange ein.
Die Militärkolonne schob sich an dem Flüchtlingsstrom vorbei. In dem Wagen, in dem Frau Brüggen mit ihrer Gruppe hockte, begann ein Mädchen zu singen. Nach und nach fielen die anderen ein. Die Menschen auf den Gespannen und auch die, die sich zu Fuß eingereiht hatten und kleine Handwagen zogen oder Kinderwagen schoben, wachten für einen Moment aus ihrer dumpfen Gleichgültigkeit auf und winkten den Kindern zu. Der Fahrer, der Frau Brüggens Kinder so widerwillig aufgenommen hatte, scherte nach ungefähr zwanzig Kilometern links aus und stoppte auf einer schmalen Nebenstraße. Er sprang ab, klappte die Motorhaube auf und zündete sich eine kurze Stummelpfeife an. Wagen um Wagen fuhr vorbei. Der Fahrer des Lkw mit der Gruppe von Dr. Scholten kurbelte sein Fenster herunter und schrie: »Was ist, Kamerad?«
»Kleine Panne«, war die Antwort. »Hab ich schnell behoben.«
Kaum war der Lkw außer Sicht, da schnauzte der Fahrer die Mädchen an: »Alle raus. Ich muss zurück. Ich will verwundete Kameraden holen.«
Frau Brüggen wollte etwas einwenden, doch er holte seinen Karabiner aus dem Führerhaus und schrie: »Nicht nur die Leutnants können schießen. Runter vom Wagen!«
Frau Brüggen und die Kinder gehorchten. Der Lkw fuhr weiter in die Nebenstraße hinein und verschwand hinter einer Kurve. Das Grummeln des Artilleriefeuers war leiser geworden und drang wie das ferne Grollen eines aufziehenden Gewitters herüber. Wieder standen die Kinder am Straßenrand und winkten. Als nach zehn Minuten noch niemand angehalten hatte, sagte Frau Brüggen: »Die Sonne scheint. Man kann schon das Frühjahr riechen. Wir werden zu Fuß weitergehen. Bis zum nächsten Ort kann es nicht mehr weit sein.«
Von dem starken Verkehr war der Schnee zermahlen und an die Straßenränder geschoben worden. Das Tauwetter ließ ihn allmählich zusammensinken.
Die Gruppe reihte sich in den Treck ein. Wegen der Ochsenkarren ging es nur sehr langsam voran. Die Lust am Singen war den Kindern vergangen.
Der Lkw mit Dr. Scholten, Schwester Nora und den Mädchen hatte den nächsten Ort schon passiert. Dr. Scholten war zuversichtlich. Sie würden den Treffpunkt Wilhelmsburg zeitig erreichen. Zur Rechten fiel das Gelände zu einem Bach hin ab. Plötzlich begann der Dieselmotor zu stottern. Weißer Dampf quoll aus den Ritzen der Motorhaube. Der Fahrer stellte den Motor ab, zog die Bremse an, sprang fluchend aus dem Führerhaus und riss die Motorhaube hoch.
»Was ist?«, fragte Dr. Scholten.
»Hoffentlich kein Kolbenfresser«, antwortete der Fahrer. Hinter ihnen stauten sich die Fahrzeuge. Ein paar Fahrer kamen heran und wollten helfen. Aber nach einigen vergeblichen Versuchen, den Motor wieder in Gang zu bringen, gaben sie auf.
Sie standen ratlos beieinander. Schließlich sagte einer: »Es hilft alles nichts. Wir müssen weiter.«
»Weiter ist gut«, meinte ein anderer. »Aber wie?«
»Der Wagen muss weg.« Sie schauten auf den Fahrer des Pannenwagens.
»Ihr meint doch nicht etwa …« Er zeigte auf die steile Böschung.
»Hast du einen besseren Vorschlag?«
Der Fahrer hob hilflos die Arme.
»Du kannst mit deinem Beifahrer bei mir aufsitzen. Wir rücken zusammen.«
»Und was wird mit den Mädchen?«, fragte Dr. Scholten empört.
Ein Feldwebel schlängelte sich auf seinem Motorrad zwischen dem Flüchtlingstreck und den Lastwagen hindurch. Er hielt an und ließ sich die Lage schildern.
»Bleibt nichts anderes übrig, Kameraden, da unten ist Platz genug.« Er deutete zum Tal hin.
»Und die Mädchen?«, warf Dr. Scholten noch einmal ein.
»Absteigen. Sofort runter von dem Anhänger. Da, die Leute im Treck, die haben auch kein Taxi. Machen Sie’s wie die. Per pedes, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Hinter dem defekten Lkw stand ein schwerer Sattelschlepper. Der Fahrer warf den Motor an.
Der Feldwebel wendete sein Motorrad und fuhr zurück. Die
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