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So weit die Wolken ziehen

So weit die Wolken ziehen

Titel: So weit die Wolken ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Fährmann
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geliehene Sachen, die ihnen nicht mal richtig passen. Anna hat gesagt, so könnten wir uns nicht zeigen.«
    Dr. Scholten schwieg verblüfft.
    »Ich kann die Mädchen verstehen«, sagte Schwester Nora. »Für die Betteltouren mochten die Kleider ja passend sein. Aber …«
    »Die Fahnen«, sagte Katalin. »Können Kleider nähen aus Fahnen.«
    Schwester Nora musste lachen. »Lauter flammrote Kleider, Katalin. Das ist auch nicht besser als das, was die Mädchen jetzt tragen.«
    »Roter Stoff für Schürzen. Blau-weiß karierte Röcke. Weiße Blusen. Wird schön aussehen.«
    »Katalin, Katalin, woher sollen wir den Stoff nehmen für all diese Sachen?«
    »Na, Schwester Nora, nehmen wir Gardinen aus den Räumen im ersten Stock. Blau-weiß kariert. Räume sind sowieso nicht bewohnt. Und die weißen Tücher von Betten oben im Schlafsaal. Steht ja auch leer.«
    »Das schaffst du in den wenigen Tagen bis zum 1. Juli? Nie! In der Nähstube im Haus gibt es zwar vier Nähmaschinen. Aber wer kann die bedienen?«
    »Ich werde den Mädchen zeigen. Ich habe in Budapest gelernt in Modehaus. Und auch Lehrerinnen können lernen. Ich verspreche, wir schaffen.«
    Dr. Scholten setzte sich an den Schreibtisch und sagte: »Macht, was ihr wollt. Aber der Abend für die Leute im Ort muss stattfinden, wenn wir uns nicht auf ewig blamieren wollen.«
    Die Mädchen waren begeistert von dem Plan, neue Kleider zu nähen. Katalin hatte eine Skizze gezeichnet, wie sie aussehen sollten.
    »Maschinen müssen rattern Tag und Nacht«, sagte Katalin. »Ich zeige euch. Immer zwei Stunden nähen, dann ablösen. Nach erste Naht ich weiß, wer nähen kann. Andere machen dann andere Arbeit.«
    Auch Frau Brüggen ließ sich von der Begeisterung der Mädchen anstecken und setzte sich an eine Nähmaschine. Doch nach zwei Stunden sah sie ein, dass manches Mädchen besser mit den Maschinen fertig wurde als sie.
    »Ich hole Frau Krase«, sagte sie. »Wir nähen die Knöpfe an. Das schaffen wir.«
    Katalin war unermüdlich. Sie gönnte sich nur eine kurze Rast, wenn ihr kleiner Sohn Hunger hatte und schrie. Das Wickeln übernahm Schwester Nora. Nach vierzehn harten Arbeitsstunden legte Katalin eine längere Pause ein, um ein wenig zu schlafen. Aber dann stand sie wieder in der Nähstube. Sie selbst setzte sich nur an die Maschine, wenn schwierige Arbeiten zu erledigen waren. Sie übertrug die Schnittmuster auf die Stoffe, nahm Maß bei den Mädchen, hantierte geschickt mit der großen Schneiderschere, kontrollierte mit wachsamem Blick die ersten Anproben. Sicher, manche Nähte gerieten nicht perfekt, aber Katalin machte den Mädchen Mut. »In meiner Heimat man sagt: So genau schaut kein Edelmann. Hauptsache, schönes junges Mädchen steckt in Kleid.«
    Schon am Freitag vor dem Dankeschön-Abend zeichnete sich ab, dass es an der Kleidung der Mädchen nicht scheitern würde.
    »Mindestens so hübsch wie unsere BDM-Uniformen«, sagte Irmgard und fast alle stimmten ihr zu.
    Viele Menschen aus dem Ort waren der Einladung gefolgt. Immer wieder klatschten sie Beifall und riefen Bravo. Zum Schluss erklang der Kanon:
    »Alles schweiget, Nachtigallen
locken mit süßen Melodien
Tränen ins Auge,
Schwermut ins Herz.
Locken mit süßen Melodien
Tränen ins Auge,
Schwermut ins Herz«.
    Es dauerte eine Weile, bis der Beifall aufbrandete.
    Der Pfarrer drängte Dr. Scholten, ihn auf ein Glas Wein ins Pfarrhaus zu begleiten.
    In dessen Wohnzimmer saßen sie zuerst schweigend beieinander und genossen den guten Tropfen. Schließlich sagte der Pfarrer: »Ich weiß nicht, lieber Doktor, ob es Ihnen schon zu Ohren gekommen ist. Die Alliierten haben bei der Konferenz in Jalta wichtige Beschlüsse gefasst. Unser Gebiet links der Donau werden die Amerikaner räumen und die Russen werden nachrücken. Wir gehören dann zur sowjetischen Besatzungszone.«
    Dr. Scholten starrte den Pfarrer entsetzt an.
    »Nur ein Gerücht?«, fragte er. »Oder …«
    »Leider wohl Wirklichkeit. Die Übergabe soll schon in den nächsten Tagen stattfinden.«
    »Was machen wir nur?«, stieß Dr. Scholten hervor. »Ich kann doch meine Mädchen nicht einfach den Russen ausliefern.«
    »Nun, die ersten schlimmen Wochen nach Kriegsende sind vorbei. Die Übergriffe sollen nachgelassen haben. Aber trotzdem, Sie sollten sich bald, sehr bald mit Ihren Kindern wieder auf den Weg machen. Das Land südlich der Donau bleibt in amerikanischer Hand. Es sind nur wenige Kilometer bis zur Fähre in Untermühl. Aber ob man sie

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