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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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ehe sie endlich bereit war, mir einen Termin zu besorgen. Und das auch nur, nachdem ich eingewilligt hatte, dass sie selbst eine Ärztin aussuchte und mich zur Untersuchung begleitete. Ein Arzt kam für sie natürlich nicht in Frage, das hatte ich mir schon gedacht. Aber Anne bestand auch darauf, dass es eine türkische Ärztin sein musste. Und sie kam tatsächlich mit, bis hinein ins Behandlungszimmer. Während die Ärztin mich untersuchte, wich sie nicht von deren Seite und wiederholte ständig, ich sei noch Jungfrau, sie müsse besonders vorsichtig sein, damit mein Jungfernhäutchen ja nicht beschädigt werde. Davor schien sie panische Angst zu haben.
    Sie dachte in ihren alten Mustern: Jungfräulichkeit bedeutete Ehre. Nach ihrem Verständnis konnte ich nur im Zustand der Jungfräulichkeit eine ehrbare Ehefrau werden. Ich lag mit gespreizten Beinen auf dem Gynäkologenstuhl und wünschte mir nichts mehr, als dass dieser peinliche Auftritt bald vorüber sein würde. Mich interessierte, ob mit meiner Vagina und der Gebärmutter alles in Ordnung
war, die Unversehrtheit meines Jungfernhäutchens erschien mir nicht so wichtig. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mir eines Tages einen Mann suchen werde, für den das ausschlaggebend sein könnte, ob er mich liebt oder nicht, tendierte damals schon gegen null.
    Jedenfalls beschloss ich an diesem Tag: Zum Frauenarzt - nur noch allein! Und ich suchte mir fürs nächste Mal eine andere Ärztin. Deutschen Mädchen wird das lächerlich vorkommen, für mich bedeutet das etwas weniger Kontrolle durch meine Eltern. Und weniger Kontrolle heißt: ein kleines Stückchen mehr Freiheit.

4.
    Sei stolz auf das, was du bisher geschafft hast
    Das erste wichtige Ereignis in meinem Leben, an das ich mich erinnere, war meine Einschulung. Ich war sieben Jahre alt und konnte es kaum erwarten, endlich wie mein Bruder zur Schule zu gehen. Irgendwie schafften es meine Eltern, mir einen Platz in derselben Grundschule zu organisieren, obwohl sich die am Wittenbergplatz befand und wir nicht in ihrem Einzugsbereich wohnten. Wir waren seit Tayfuns Einschulung umgezogen. Am Morgen flocht Anne mir Zöpfe, ich zog mein neues Kleid an, das sie extra für diesen Anlass gekauft hatte, dann ging es los. Ich bekam sogar eine Zuckertüte, obwohl das in unserer Heimat nicht üblich ist. Lange konnte ich mich allerdings nicht daran erfreuen. Tayfun verputzte noch am selben Tag alle Süßigkeiten, die Anne für mich hineingetan hatte.
    Ich ging gern zur Schule und nahm meine neue Aufgabe mit aller Hingabe in Angriff, die eine Siebenjährige aufzubieten hatte. Als ich nach wenigen Wochen auf Anhieb zur Klassensprecherin gewählt wurde, wusste ich, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand. Es war eine geheime Wahl. Jeder von uns musste den Namen seines Kandidaten auf einen Zettel schreiben, den dann zusammenfalten und
der Lehrerin geben. Sie zählte aus. Fünfundzwanzig meiner dreißig Mitschüler hatten »Melda« auf ihren Zettel geschrieben. Ich war stolz wie sonst was, bei den anderen dermaßen beliebt zu sein. Als das Ergebnis verkündet wurde, kam es mir vor, als würde ich mit einem Schlag gleich mehrere Zentimeter wachsen. Ich teilte mir den Posten mit Benno, der nicht ganz so gut abgeschnitten hatte. Er war für die Jungs zuständig, ich für die Mädchen.
    Dann entstand eine Situation, die man mit der eines ambitionierten Hochspringers vergleichen könnte, der anläuft, zum großen Sprung ansetzen will, dabei aber feststellen muss, dass gar keine Latte aufgelegt wurde und auch nirgends eine aufzutreiben ist. Wir waren zwar Klassensprecher, aber niemand gab uns eine Aufgabe oder irgendein Ziel vor. Dieses Amt schien nur aus scheindemokratischen Gründen eingerichtet worden zu sein, wovon ich damals natürlich noch keine Ahnung hatte. Benno störte das nicht weiter. Jungs sind in diesem Alter noch sehr verspielt. Mir passte das überhaupt nicht. Wenn man mich schon zur Klassensprecherin erkoren hatte, musste ich auch mehr leisten als die anderen, so fasste ich das jedenfalls auf. Vor allem musste ich mehr zu sagen haben. Keine Ahnung, von wem ich das hatte, aber ich gierte regelrecht nach Verantwortung.
    Es verstand sich von selbst, dass ich mich im Unterricht anstrengte. Den Unterschied machten die Pausen aus. Das war die Zeit, in der ich meine Klassensprecherfunktion mit Leben erfüllte. Kein Mensch hatte mir das aufgetragen, ich ließ mir einfach selbst etwas einfallen, kümmerte mich darum, dass nach

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