So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock
weg war, hatte ich sturmfreie Bude. Wie ich auf die Idee kam, Batu zu mir nach Hause einzuladen? Wenn ich das noch wüsste, es erscheint mir heute selbst absurd. Ich habe ihn einfach gefragt und nicht weiter nachgedacht, so muss es gewesen sein. Ich hatte ihn vorher schon einige Male gefragt, ob wir uns treffen wollen - nicht bei mir, irgendwo -, doch nie war er gekommen. Wahrscheinlich rechnete ich auch diesmal nicht damit. Erst sagte er zu, dann wieder ab, es war wie jedes Mal ein Hin und Her. Schließlich stand er doch vor der Tür.
In dem Augenblick, als er einen Fuß in unsere Wohnung setzte, muss sich mein Gehirn verabschiedet haben. Der Kerl nahm einem die Luft zum Atmen. Und ohne Sauerstoff klappt das mit dem Denken auch nicht so gut bis gar nicht mehr. Ich schaltete einen Film ein. Zehn Minuten sahen wir auf den Bildschirm oder taten zumindest so. Dann
küsste er mich, und ich küsste ihn. Er zog mich aus, ich zog ihn aus, ungeduldig, als hätten wir diesem Moment seit Jahren entgegengefiebert. Irgendwann war ich fast nackt, nur noch in Unterwäsche …
Und dann muss von irgendwoher wieder Sauerstoff zu mir geströmt sein. Schlagartig nahm mein Gehirn seine Tätigkeit auf. Ich hatte keine Ahnung, was in Batu vorging. Ich wusste nichts von seinen Gefühlen für mich. Wahrscheinlich gab es da gar keine. Ich weiß nicht, was mir noch durch den Kopf ging. Ich weiß nur, dass ich auf diese Weise meine Jungfräulichkeit nicht verlieren wollte, nicht so und nicht an einen Mann, von dem ich nicht wusste, ob er mich liebte.
Batu war dann schnell verschwunden. »Das führt doch zu nichts«, hatte er noch gesagt, und beim Hinausgehen: »Lass es uns vergessen.« Zehn Minuten später kam Baba nach Hause. Wäre er von seiner Arbeit nicht so erschöpft gewesen, er hätte Batus fremden Geruch noch bemerken können.
Ich hatte wieder gesündigt. Und ich machte mir wieder nichts daraus. Aber ich wunderte mich nicht mehr darüber. Im Gegenteil. Es war ein ziemlich gutes Gefühl, zu merken, dass ich mich allmählich so akzeptierte, wie ich war. Ich konnte religiös sein, an Gott und den Propheten glauben, zu ihnen beten und trotzdem meinen Empfindungen folgen. Glaube und Freizügigkeit waren deswegen immer noch Gegensätze, aber sie schlossen einander nicht aus, nicht für mich.
Wem hatte ich diese Entwicklung zu verdanken? Batu? Nein, ihm sicher nicht. Er war nur derjenige, durch den ich herausfand, was ich wirklich wollte und wer ich bin. Dass ich mit ihm überhaupt so weit gegangen war, dafür gab es
nur eine Erklärung, die mir schlüssig schien: Mein Umfeld, die Leute, mit denen ich mich umgab, hatten mich geprägt. Seit ich zur Schule ging, hatte ich immer deutsche Freundinnen. Und meine anderen Freundinnen, die Migrantenkinder waren wie ich, kamen aus eher fortschrittlichen Elternhäusern.
Ich will es mal ganz deutlich machen: Nehmen wir das Thema Sex. Das ist bei uns zu Hause praktisch nicht existent. Mit meinen Freundinnen spreche ich dagegen ganz offen darüber, ob das in der Schule ist oder in einem Café oder in der U-Bahn, wo es uns gerade in den Sinn kommt. Da gab es nie Berührungsängste. Es ist sogar so, dass Jungsgeschichten und Sexthemen, die ja meistens zusammenhängen, mittlerweile fast jedes Mal zur Sprache kommen, wenn wir uns treffen.
Unter meinen Freundinnen gibt es aber auch ein paar Früchtchen! Dagegen bin ich trotz der Erfahrung mit Batu ein Mauerblümchen. Da ist zum Beispiel Isabelle. Sie ist neunzehn, noch Jungfrau, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass sie von einem Kerl mal übel ausgenutzt wurde. Trotzdem sehnt sie sich nach Liebe und möchte auch Sex haben. Alexandra ist ein Jahr jünger, hat ihre Unschuld aber bereits mit sechzehn verloren. Auch für sie ist Sex ein wichtiges Thema. Momentan ist sie allerdings, was das betrifft, ziemlich frustriert, weil sie schon länger keinen Freund mehr hatte. Caroline, die Nächste aus unserer Clique, eine Diplomatentochter, erlebt gerade eine aufregende Zeit. Sie hat zum ersten Mal einen richtigen Freund und möchte nichts falsch machen, auch auf sexuellem Gebiet. Sie saugt alles, was wir ihr dazu erzählen, begierig auf wie ein Schwamm. Von Johanna kann sie auf jeden Fall
eine Menge erfahren. Johanna ist neunzehn und seit zwei Jahren mit einem Dänen zusammen, der sich jetzt extra in Berlin einen Studienplatz gesucht hat, um in ihrer Nähe zu sein. Ist ja klar, dass die beiden auch miteinander schlafen. Alessia wiederum wartet schon
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