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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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jeder Stunde die Tafel gewischt wurde, achtete darauf, dass niemand im Klassenraum rannte oder herumtobte.
Seine Pausenbrote durch die Gegend werfen durfte auch keiner. Und in den Hofpausen sorgte ich dafür, dass meine Mitschüler nicht herumschrien oder irgendwelche blöden Spiele spielten. Kurzum: Alles, was Schüler in Pausen normalerweise anstellen, um sich ein bisschen abzureagieren, versuchte ich kraft meines Amtes zu unterbinden, und ich konnte wirklich hartnäckig sein. Benno sollte mich dabei unterstützen, versagte aber kläglich, sodass ich häufig mit ihm schimpfen musste.
    Als im nächsten Schuljahr wieder die Wahl der Klassensprecher anstand, schrieb mich niemand mehr auf seinen Zettel. Meine Mitschüler schienen von ihrem Pausenterrorisator nachhaltig traumatisiert zu sein. Bis zur sechsten Klasse gewann ich keine einzige Wahl mehr.
    Nach und nach ging mir auf, dass meistens diejenigen zu Klassensprechern gewählt wurden, die auf der Coolness-Skala der anderen ganz weit oben standen. Nun war Coolness ein sehr subjektives Kriterium, doch nur wem es gelang, von seinen Mitschülern für cool gehalten zu werden, bekam überhaupt eine Chance.
    Im Grunde war es in der Schule nicht viel anders als in der großen Politik: Wer gewählt werden wollte, brauchte eine starke Lobby, viele Freunde, die ihm seine Stimme gaben. Und die meisten von denen taten das in der Hoffnung, der Ruhm ihres Kandidaten strahlte dann auch ein bisschen auf sie ab. Was dabei herauskam, sah man ja: Es waren nicht unbedingt immer die Fähigsten, die in wichtige Positionen gehievt wurden, sondern häufig nur die geschicktesten Netzwerker.
    Mit der siebten Klasse wurden die Karten neu gemischt: Ich wechselte aufs Gymnasium. Das war Anne und Baba
sehr wichtig. Ich glaube, in dieser Hinsicht denken alle Eltern mit Migrationshintergrund ähnlich. Sie wünschen sich, dass es ihre Kinder im Leben zu etwas bringen. Doch bei vielen ist dieser Wunsch sehr abstrakt, sie unterstützen ihre Kinder nicht genug, können es vielleicht auch gar nicht, weil ihnen selbst die entsprechende Bildung fehlt oder eben das Geld. Man kann auch nicht gerade behaupten, dass Kinder von Migranten im Allgemeinen besonders gefördert würden. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Man muss sich schon selbst richtig reinhängen, um etwas zu erreichen. Mein Ehrgeiz ist nicht unbedingt mein Verdienst, ich nehme an, er wurde mir vererbt, von Anne wahrscheinlich, aber ohne den wäre ich manchmal ganz schön aufgeschmissen.
    Anne nahm alles, was mit Tayfuns und meiner Schulbildung zusammenhing, immer sehr ernst. Sie kontrollierte unsere Hausaufgaben, legte Wert darauf, dass wir unsere Hefter ordentlich führten und mit einer anständigen Schrift schrieben. Sie nahm mich auch gern mit in die Bibliothek. Was sie aber noch mehr von vielen Eltern von Migrantenkindern unterschied: Sie versuchte, keinen Elternabend zu verpassen, und nutzte auch die Elternsprechtage, um sich mit den Lehrern über uns auszutauschen. Das kannte Anne so von ihren eigenen Eltern. Die haben sie immer angespornt, sich in der Schule anzustrengen. Anne schaffte dann auch einen Realschulabschluss, was in ihrer Generation als Ausländerkind hier in Berlin längst nicht selbstverständlich war. Der Normalfall sah damals eher so aus wie in Babas Familie. Seine Eltern legten keinen großen Wert auf Schulbildung. Sie bläuten ihren Kindern schon früh ein, dass es wichtiger sei zu arbeiten, um Geld für
den Unterhalt der Familie beizusteuern. Es wundert mich nicht, dass das auf Baba abfärbte, der mit vierzehn Jahren die Hauptschule abbrach und sich einen Job als Kellner suchte. Aber gerade deswegen wollte auch er, dass Tayfun und ich einmal mehr erreichen.
    In der neunten Klasse startete ich meine zweite Klassensprecherkarriere. Nicht, dass ich das geplant hätte; seit der Schmach in der zweiten Klasse war ich zurückhaltender geworden, es ergab sich eher zufällig. Meine Vorgängerin hatte keine Lust mehr. Überhaupt hatte sich für die meisten Schüler der Stellenwert des Klassensprecherpostens verändert. Er war längst nicht mehr so begehrt, dass sich alle darum gerissen hätten. Genau genommen gehörte ich zu den wenigen, die sich überhaupt noch freiwillig bereit erklärten, diesen Job zu übernehmen. Ich bekam zwei Stimmen mehr als die zweite Kandidatin, und das genügte.
    Als Klassensprecher rutschte ich automatisch in die Schülervertretung unserer Schule, deren Chef nannte sich Schulsprecher. Ich

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