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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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Vielleicht stattete er ihnen ja gelegentlich einen Besuch ab.
    Die Mississippi-Hitze und die Insekten hatten bis auf ein paar trockene Fetzen kein Fleisch auf den Knochen gelassen. An den Schädeln klebten noch ein paar Haare – bei vier der Leichen waren sie rot. Leere Augenhöhlen starrten, Gebisse grinsten. Bei genauerem Hinsehen würde ich sicher feststellen, dass jeweils ein Zahn fehlte. Ich sah nicht genauer hin. Die Kleidung hatte sich besser erhalten. Fleckige und verschossene Kleider, die einmal die Farbe von schäumenden Wellen und Smaragden gehabt hatten, von Saphiren und Schlüsselblumen, sagten mir, welches Skelett wer war.
    Tatiana lag ausgestreckt auf der Kirchenbank, ihr Kind in den Armen. Der Säugling war mumifiziert, pergamenttrockene Haut spannte sich über den Knochen. Vielleicht wurde es tot geboren und hatte dadurch Bernards irrsinnige Wut ausgelöst. Nicht weit davon entfernt lagen Tara und Adele auf einem Haufen, als hätte man ihre Leichen einfach auf dem dreckigen Steinboden abgeladen. Waren sie anderswo gestorben und hierher gebracht worden?
    Etwas Dunkles, Langbeiniges huschte unter das an der Wand lehnende Skelett. Es war das des Mannes, bekleidet mit einem fleckigen, gelbbraunen Gehrock und einer dunklen Weste. Mr Gregg. Victoire und die Zofe in ihrem grauen Kleid lagen hinter dem Altar, als hätten sie dort Schutz gesucht. Man hatte sie dort liegen lassen, wo sie gestorben waren. Bernard musste sie unter irgendeinem Vorwand in die Kapelle gelockt und dort getötet haben.
    Wahrscheinlich hatte er es mit seinem Stockdegen getan. Ein Gewehr wäre zu laut gewesen und nicht Bernards Stil.
    Ich wollte mir die Augen ausreißen und konnte doch nicht wegsehen.
    Ich habe genug gesehen, ich habe genug gesehen, jetzt lasst mich gehen .
    Das Licht hatte sich verändert. Ein Schatten stand im Türspalt. Ich erkannte Garveys grinsendes Gesicht.
    Ich stieß einen schrillen Schrei aus und stürzte zur Tür, als sie zuschlug. Zu spät. Zu spät.

Kapitel 34
    FALLEN
    Ich hatte einen tödlichen Fehler begangen. Ich hatte den Schlüssel im Schloss stecken lassen.
    Ich hämmerte gegen die Tür, bis meine Fäuste bluteten. Ich grub die Finger in die Ritzen, bis meine Nägel brachen. Ich schrie, bis ich keinen Ton mehr herausbrachte. Dann lauschte ich. Kein Ton drang von draußen herein. Garvey war längst weg und er würde niemanden in Hörweite lassen.
    Du musst hier raus, bevor Bernard zurückkommt .
    Irgendwann hatte ich meine fünf Sinne wieder so weit beisammen, dass ich nachdenken konnte. Die einst wunderschönen Buntglasfenster waren im unteren Bereich zerschlagen, weiter oben aber noch intakt. Die fest vernagelten Planken hinter den Fenstern waren voller Rillen und Kratzspuren.
    Â»Wart ihr das, Mr Gregg und Victoire?«
    Jetzt redete ich schon mit Leichen.
    Das Trio – Victoire, ihre Zofe und Mr Gregg – hatte hier eingeschlossen sicher Todesängste ausgestanden, bevor sie schließlich von Bernard niedergemetzelt wurden. Die blutverklebten Schnitte in ihren Kleidern ließen erkennen, dass er sie erstochen hatte.
    Diesen drei – darunter ein starker Mann – war es nicht gelungen zu fliehen. Wie sollte ich es dann schaffen?
    Ich werde sterben.
    Ich schnappte mir eine Scherbe von einem der Fenster, wickelte meinen Schal darum und bearbeitete die Türangeln damit, aber ohne Erfolg.
    Die Decke, sechs Meter über mir und unmöglich zu erreichen, wies gelbe und schwarze Wasserflecke auf. Durch den eingebrochenen Teil des Daches strömten jetzt Lichtstrahlen und ich sah ein Nest aus Zweigen an den Dachsparren kleben. Meine Stiefel knirschten auf heruntergefallenem Putz und Scherben, die zusammen mit Mäusekötteln und Vogelkot den Boden bedeckten. Tiere hatten ein paar kleine Menschenknochen dazwischen verteilt. Ich machte einen Bogen darum.
    Neben einem Berg aus Mörtel, Schieferplatten und verfa ultem Holz lag noch etwas anderes. Ich hob den Gegenstand auf und schüttelte den Staub ab. Es war ein Damenschu h aus grünem Ziegenleder mit niedrigem Absatz. Das Leder war verschrumpelt und rissig, nachdem es so lange Wind u nd Wetter ausgesetzt war. Der zweite Schuh schmückte noch den skelettierten Fuß von Victoire. Ein Tier musste de n anderen weggeschleift haben, es sei denn sie hatte ihn abgestreift, als sie verzweifelt um ihr Leben kämpfte. Ich legte ihn neben den anderen.
    Ich würde

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