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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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aber nicht die nötigen Mittel, um auf gerichtlichem Weg zu Antworten zu gelangen. Er würde ungestraft davonkommen.
    Der Tod selbst machte mir keine Angst. Ich glaubte fest an einen besseren Ort im Jenseits. Da waren diese wunderschönen Zeilen in einem der Korintherbriefe, die mit der Hoffnung auf die Auferstehung begannen: »Denn wir wissen: Wenn unser irdisch Haus, diese Hütte zerbrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.«
    Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich angefangen hatte zu weinen. Die Tränen liefen mir nur so über die Wangen. Ich weinte, weil mir eine irdische Zukunft versagt blieb. Weil mir Ehe und Kinder und das Alt- und Weise- und Grauhaarig-Werden versagt blieben. Weil ich mich vor dem Wie meines Endes fürchtete. Vor dem Durst und der Angst und dem Schmerz. Vor dem Hauen und Stechen.
    Nein! Ich wollte leben.
    Danach begann ich zu beten. Eine Litanei aus Bitten um Hilfe, um Kraft, um Weisheit und einen klaren Verstand. Ich betete für die Seelen der Verstorbenen. Selbst an diesem schrecklichen Ort hüllte der Friede Gottes mich beschützend ein.
    Eine lähmende Stille legte sich auf mich wie der Staub von Jahrhunderten. Ich schlief.
    Das Geräusch von Donner und prasselndem Regen weckte mich. Es wurde lauter und schwoll zu einem misstönenden Grollen und Dröhnen an.
    Ich war immer noch hier, mit vom Durst aufgesprungenen Lippen. Hier in der Kapelle, wo ich auf Bernard wartete und auf den Tod. Ich hätte wieder zu schreien begonnen, wenn meine geschwollene Kehle mitgemacht hätte, selbst wenn schreien zwecklos war.
    Ein anderes Geräusch war zu hören. Es kam aus meiner direkten Umgebung. Ein leises Murmeln, das anschwoll und mich einhüllte. Meine Schwestern. Ich brauchte Bernard nicht allein gegenüberzutreten, sie waren da. Ich lauschte so angestrengt und versuchte zu verstehen, dass mir die Ohren dröhnten.
    Ich hielt mir mit beiden Händen den Kopf, um den Schmerz auszuschalten, und wankte schließlich zu der Stelle, wo durch das Loch in der Decke Wasser hereinfloss. Ich ließ die Tropfen in meinen offenen Mund regnen. Lange Zeit stand ich so da, und nach und nach verstummte das Wehklagen.
    Eine Zeitlang würden meine Kleider die Feuchtigkeit halten; ich konnte daran saugen oder sie auswringen und das Wasser trinken. Doch falls der Regen bald aufhörte und Bernard heute nicht zurückkam, musste ich für später Wasser aufbewahren. Womit konnte ich es auffangen? Ich hatte noch meine Beuteltasche, sie lag gleich bei der Tür. Dummerweise war sie aus Stoff; das Wasser würde einfach durchfließen. Sie enthielt nur die Unterwäsche, das verknotete Taschentuch, die Bürsten und den Schmuck. Es gab hier keine leere Flasche oder sonstigen Gefäße außer –
    Oh, das brachte ich nicht fertig.
    Lord Byron hatte aus einem Schädel getrunken. Bernard durfte mich nicht vor Durst ohnmächtig vorfinden.
    Dann fielen mir zum Glück die Schuhe ein. Eklig, aber nicht so widerwärtig wie ein knöcherner Kelch. Ich würde auch nur im absoluten Notfall daraus trinken. Inzwischen war ich hungrig und geschwächt, da ich seit vorgestern nichts mehr gegessen hatte, doch der Hunger war nicht das Schlimmste. Ich brauchte Wasser.
    Ich sammelte die Schuhe der Skelette ein und stellte sie so auf, dass sie das Regenwasser fassen konnten.
    Als ich Taras Ziegenlederstiefel aufschnürte, streifte ich eine seltsame Ausbuchtung unterhalb ihres Gürtels. Sie hatte bei ihrem Tod etwas bei sich getragen. Sacht berührte ich den Stoff ihres Kleides – er war steif – und riss dann ein Loch hinein. Tara trug eine Tasche unter ihrem Kleid; einen bunt bemalten Lederbeutel, dessen Bänder sie sich um die Taille geschlungen hatte.
    Der Inhalt kullerte über den Boden.
    Ein Fläschchen Riechsalz, ein paar Münzen, ein Taschenmesser.
    Ein Messer. Fast hörte ich Tara sagen: Nimm es und nutze es, denn ich konnte es nicht . Die resolute Tara hätte sich nicht kampflos ergeben. Bernard musste sie überrascht haben, sodass sie keine Zeit mehr hatte, zu ihrer Waffe zu greifen. Das Messer war viel besser als eine spitze Glasscherbe.
    Ich setzte mich wieder an die Wand, drehte an meinem Armband aus Haar und schmiedete einen Plan.
    Mit meinem Retikül und dem aufgeklappten Messer im Schoß wartete ich.
    Es musste später Nachmittag gewesen sein

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