So wie Kupfer und Gold
Erstes nach mir suchen. Mir wurde schmerzlich klar, dass ich Gideon zu seinem eigenen Schutz nie mehr wiedersehen durfte.
In eine groÃe Beuteltasche packte ich Unterwäsche zum Wechseln sowie eine Zahnbürste und eine Haarbürste. Beim Anblick all der opulenten Kleider in den Schränken schüttelte ich den Kopf und erinnerte mich einigermaÃen überrascht, dass sie mich einmal in Entzücken versetzt hatten. Ich zog ein einfaches Reisekleid heraus. Nichts von all dem, was früher eine Rolle gespielt hatte, war jetzt noch von Bedeutung.
Mitten in der Nacht, die Dienstboten waren längst schlafen gegangen, machte ich mich mit einer kleinen Kerze und den Schlüsseln auf den Weg durch die dunklen, hallenden Flure zu Bernards Schlafzimmer. Ich blickte mich nervös um und erwartete eigentlich, die Schwestern zu sehen, doch bei diesem Abenteuer war ich allein. Ich schloss die Tür auf.
Als Ducky mich durchs Haus geführt hatte, hatte ich nur von der Tür aus einen kurzen Blick in sein Zimmer geworfen, da es mir taktlos erschienen war, hineinzugehen. Ich hatte riesige, mit Schnitzereien verzierte Möbel auf LöwenfüÃen gesehen, schwere braune Samtvorhänge, alles hatte sehr männlich auf mich gewirkt.
Da war sein Waschtisch mit Zahnbürste und Zahnpuder; das Buch Verbergen und Suchen von Wilkie Collins lag aufgeschlagen auf dem Nachttisch und der Hausmantel im Paisley-Muster am FuÃende des Bettes, als erwartete er seine Rückkehr. Der Duft seines Rasierwassers hing noch in der Luft. Alles viel zu persönlich.
Neben der Lampe stand eine kleine amethystfarbene Dose aus facettiertem Glas. Sie hatte einen Durchmesser von nur sieben oder acht Zentimetern und war so dunkel, dass sie fast undurchsichtig war. Da in Bernards Zimmer sonst jeglicher dekorativer Krimskrams fehlte, schien dieses Behältnis auf seinem Nachttisch fehl am Platz. Es musste eine Bewandtnis haben. Vielleicht enthielt es Münzen. Ich hob den Deckel.
In dem trüben Licht konnte ich nicht erkennen, worum es sich bei den hellen Gegenständen darin handelte â vielleicht um Perlen. Sie lagen auf einem Kissen aus kurzen Locken, die jeweils mit einem Faden zusammengebunden waren. Ich lieà sie mit leisem Klicken in meine Hand gleiten, um sie mir genauer anzusehen â stieà einen erstickten Schrei aus und lieà sie fallen. Es waren Zähne. Sie hatten die Farbe von vergilbtem Elfenbein, waren mit der Wurzel gezogen und sauber abgeschrubbt worden. Sechs Stück.
Zähne? Konnten sie Bernard gehört haben? Nein, dazu waren es zu viele. Wem dann? Und langsam sickerte die Wahrheit in mein benebeltes Gehirn. Ich zwang mich, das Undenkbare zu denken. Ich schwankte und griff nach allem, was ich erwischen konnte â die Tagesdecke, den Bettpfosten. SchlieÃlich lehnte ich mich mit wild klopfendem Herzen ans Bett.
Er hatte seine Frauen getötet. Die Zähne und natürlich auch die Haare stammten von ihnen. Sie waren Bernards Andenken an seine grausamen Taten, in Reichweite neben seinem Bett, sodass er sie jederzeit anschauen und sich daran ergötzen konnte. Entsprechende Ahnungen hatten in den letzten Monaten immer wieder an mir genagt, doch ich hatte sie weggeschoben, bevor sie an die Oberfläche kommen konnten. Wie konnte ein normales Gehirn etwas so Schreckliches auch begreifen? Ich hatte mit diesem Mann in ein und demselben Haus gewohnt, hatte ihn viele Wochen lang wirklich gemocht.
Ich nahm den Saum meines Kleides zwischen die Finger, hob damit die Zähne behutsam auf und legte sie wieder in die Dose. Mein Entsetzen schien sich in den Facetten des Glases zu spiegeln.
Der ganze Raum jagte mir Schauer über den Rücken. Ich war zu aufgewühlt, um weiter nach Geld zu suchen, und wankte zurück in mein Zimmer. Meine Beine schienen aus Pudding zu sein. Unter Aufbietung all meiner Willenskraft befahl ich ihnen, mich aufrecht zu halten, bis ich in meinen Sessel beim Feuer sinken konnte. Ich drehte mein Haar-Armband um und um, während ich mein wild schlagendes Herz zu beruhigen versuchte.
Wie oft hatte ich mich über die Dummheit der Heldinnen in reiÃerischen Romanen lustig gemacht? Jetzt verstand ich sie â ich war genauso blind gewesen. Ich hatte geglaubt, Bernard hätte seine Frauen durch seine Selbstsucht und seine Besitzansprüche in den frühen Tod getrieben. Ich hatte mich für stärker gehalten. Ich war ein Dummkopf. Wenn ich jetzt
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