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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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verdursten und verhungern und einen langsamen Tod sterben.
    Nein. Ich schüttelte den Kopf. Das war nicht Bernards Art. Er würde es vorziehen, mir bei lebendigem Leib das Herz mit seinem Degen zu durchbohren.
    Eine schniefende, wimmernde, um ihr Leben bettelnde Kreatur würde Bernard bei einem letzten Zusammentreffen n icht umstimmen. Was dann? Wenn ich ihm vor Augen hielt , dass ich ein menschliches Wesen war? Dass er eines war? Dass er mich einmal gemocht hatte?
    Zu denken wie er, war unmöglich. Er war verrückt. Sein Wahnsinn war mit einer schrecklichen Selbstsucht ohne alles Mitleid oder Einfühlungsvermögen verbunden, mit schrecklicher Wut, einem schrecklichen Besitzdenken sowie einer schrecklichen Blutgier.
    Ich erlebte den Albtraum, den ich in der Orangerie geträumt hatte. Im Traum hatte ich nach Anne gerufen, um von ihr zu erfahren, ob meine Brüder bald kämen. In der Realität kam mir niemand zu Hilfe.
    Ich brauche eine Waffe.
    Da war das zerbrochene Glas. Vorsichtig hob ich eine lange, spitze Scherbe auf und legte sie in die Nähe der Tür. Die konnte ich benutzen. Mit ihr konnte ich auf Bernard einstechen. Wenn nicht um meinetwillen, dann um all der anderen Menschen willen, die er abgeschlachtet hatte.
    Ich kratzte mit einer anderen Scherbe, deren hinteres End e ich mit meinem Schal umwickelt hatte, an den Wänden, doch es löste sich nur Staub. Ich rammte vom Dach gefallenes Holz gegen die verbarrikadierten Fenster, bis die angefaulten Stangen zerbröselten. Ich stieß und stocherte und immer wieder schrie ich.
    Stunden vergingen.
    Irgendwie hatte ich einen ganzen Tag hier herumgebracht. Jetzt wurde es wieder dunkel. Ein wenig silbernes Mondlicht fiel durch das Loch im Dach und verlieh dem Altar und den Bänken weiche Konturen. Den Leichen auch.
    Meine schweigsamen Gefährten waren lediglich die Hüllen von Menschen, wie die abgestreiften Panzer der Zikaden, die im Sommer in den Südstaaten an den Bäumen hingen. Das redete ich mir zumindest ein. Ich fürchtete mich nicht vor ihnen.
    Ich ergriff meine Waffe, sank an der Wand zwischen den Fenstern auf den Boden und zog die Knie bis unters Kinn. Von hier aus konnte ich sehen, wenn die Tür sich öffnete, obwohl ich bezweifelte, dass dies bald der Fall sein würde. Bernard wurde erst morgen zurückerwartet. Ich hatte die ganze letzte Nacht nicht geschlafen, doch ich musste wach bleiben, nur für den Fall.
    Die Ereignisse, die mich zu diesem Schicksal geführt hatten, gingen mir noch einmal durch den Kopf. Sie gipfelten darin, dass Bernard mir seine Schlüssel anvertraute. Er wusste, wie neugierig ich war. Auf eine verquere Art machte es ihm wahrscheinlich Spaß, mich zu verhöhnen und auf die Probe zu stellen. Zwei Mal hatte er es getan, doch beim ersten Mal war ich nicht in die Falle getappt. Jetzt hatte ich den Test nicht bestanden; jetzt würde ich das Schicksal seiner anderen ungehorsamen Frauen teilen.
    Garvey, wer sonst, hatte den Auftrag erhalten, mich zu beobachten. Bei der Rückkehr seines Herrn konnte er mit einer angemessenen Belohnung rechnen. Er wusste, was in der Kapelle war. Hatte er sich womöglich an dem Spaß beteiligt? Nein, dieses Vergnügen hätte Bernard nicht mit seinem Handlanger geteilt, aber beim Wegschaffen der Leichen hatte Garvey wahrscheinlich geholfen.
    Für die Dienstboten würde man sich eine Erklärung für mein plötzliches Verschwinden einfallen lassen. Vielleicht musste ich wegen eines Notfalls nach Boston zurückkehren; später dann würde die Nachricht kommen, dass ich krank geworden und gestorben sei. Dieser Teil wäre einfach. Vor allem da auch Talitha und Odette nicht mehr da waren; die meisten anderen würden keinen weiteren Gedanken daran verschwenden. Falls irgendjemand ein Verbrechen vermutete, wäre die Angst vor Bernard viel zu groß, um den Verdacht laut zu äußern. Ling hatte mir ein paar Mal geholfen, doch er war zu müde und zu alt, um sich seinem Herrn offen entgegenzustellen. Und Ducky – sie war zwar nicht dumm, aber wenn sie etwas nicht sehen wollte, auf beiden Augen blind. A rme kleine Sophia, würde sie mitleidig gurren, so jung sterben zu müssen, und der Master war ihr so ergeben . Meinen Verwandten würde man vielleicht mitteilen, ich sei dem Typhusfieber erlegen, was hier im Süden nichts Ungewöhnliches war. Sie würden trauern und vielleicht auch nachfragen, hätten

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