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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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Perle war unten etwas herumgewickelt. Ein Faden von einem der Stoffballen? Ich versuchte ihn mit den Fingernägeln zu lösen, zog dann aber doch die kleine Schere aus dem Nähzeug, das ich immer in der Tasche trug. Es gelang mir, ihn an einem Ende durchzuschneiden. Vorsichtig wickelte ich ein über einen halben Meter langes Haar ab. Denn darum handelte es sich – um ein dünnes, rötliches Haar. Nicht mein Farbton. Ich legte das Haar auf den weißen Samt. Es war eher Rotblond, der helle, ins Rosa gehende Goldton des Sonnenaufgangs heute Morgen. Tatiana?
    Oder Adele?
    Wieso kam mir dieser Name jetzt in den Sinn?
    Ich öffnete und schloss die Schere in meiner Hand. Einem schwarzen Dienstmädchen konnte das Haar natürlich nicht gehört haben. Außerdem hätte ein Dienstmädchen es nicht gewagt, ihren Namen in den Lack des Bettes zu kratzen. Konnte Adele eine der Frauen meines Patenonkels gewesen sein – die Französin, von der mein Vater gesprochen hatte? Und hatte sie ihren Namen eingeritzt, um ein Zeichen von sich zu hinterlassen? Aber nein, die Zeit stimmte nicht. Wenn Adele ihren Namen hier eingeritzt hatte, hätte sie ja hier gelebt haben müssen, nachdem Tatiana das Zimmer vor elf Jahren neu gestaltet hatte. Mein Vater hatte aber erwähnt, dass M. Bernard vor zwanzig Jahren, als er ihn kennenlernte, eine französische Frau gehabt hatte. Wie viele Frauen hatte mein Patenonkel überlebt?
    Wenn ich voreilige Schlüsse ziehen würde, was bei mir oft vorkam, schienen es mindestens drei zu sein. M. Bernard hatte wirklich kein Glück mit seinen Ehen. Dass Menschen einen frühen Tod erlitten, kam leider allzu oft vor. Mein Vater kannte einen Mann in Boston, der nacheinander vier Frauen verlor, alle im Wochenbett, und einen anderen, dessen fünf Kinder alle innerhalb eines Monats an Cholera starben.
    Das Haar konnte natürlich auch von einem Gast stammen. Auch Adele konnte ein Gast gewesen sein. Mir waren schließlich keinerlei Fakten bekannt. Aber das hinderte mich natürlich nicht daran, weiterzuspekulieren.
    Das Haar konnte sich auch ganz zufällig um die Perle gewickelt haben; es gab solche merkwürdigen Zufälle. Oder hatte jemand – diese geheimnisvolle rothaarige Dame – das Haar in Gedanken darumgewickelt? Oder sie hatte es ganz bewusst getan, hatte es, wie die Frau, die ihren Namen in den Bettpfosten geritzt hatte, ein ums andere Mal um die Perle gewickelt, damit etwas von ihr zurückbleiben würde?
    Ohne zu wissen, weshalb – außer dass ich immer eine gewisse Verbundenheit mit anderen Rothaarigen empfunden hatte –, legte ich das Haar in einen Umschlag und schob ihn unter die Schreibunterlage auf dem Sekretär.
    Obwohl es noch nicht einmal fünf Uhr war, zog ich meine Krinoline und das Kleid aus, wusch mich mit Schwamm und kaltem Wasser ab, schlug die Tagesdecke auf dem Bett zurück, legte mich hin und zog die Laken über den Kopf.
    Wie seltsam, dass ich mich so – seltsam fühlte. Es war dumm, mich von diesem Haar so durcheinanderbringen zu lassen. Schließlich hatten im Lauf der Zeit Generationen von Frauen in Wyndriven Abbey gelebt und waren dort gestorben, die einen jung, die anderen alt. Das war mir natürlich bewusst. Was mir zu schaffen machte, war die Tatsache, dass die Frauen meines Patenonkels vor nicht allzu langer Zeit hier gelebt hatten und gestorben waren und – dass das Haar rötlich war.
    Doch das Haar war nicht der einzige Grund für meine Unruhe. Ich hatte immer eine Vorliebe für Luxus gehabt und sollte mich in dieser Umgebung und überhäuft mit schönen Dingen eigentlich in einem Glückstaumel befinden. Aber es war alles zu viel. Es war, als sei diese Welt hier wie in einigen Märchen von Glanz und Glitter überzogen. In Wirklichkeit aber war nichts so, wie es den Anschein hatte.
    Ich schüttelte mich innerlich und reckte die Arme. Wer i mmer diese Frauen waren, ich würde ihr Schicksal nicht te il en. Ich war sehr lebendig und gesund und hatte vor, das auch zu bleiben. Ich hatte diese Chance bekommen und würde jetzt nicht den Kopf hängen lassen. M. Bernards Philosophie passte zu meinen derzeitigen Lebensumständen. Carpe diem! Ich würde den Tag pflücken, was immer das bedeutete.
    Â»Miss Sophia!«
    Mrs Duckworth schien überrascht, mich im Bett vorzufinden. »Geht es Ihnen nicht gut?«
    Â»Nein, Ma’am.« Ich streckte meinen

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