So wie Kupfer und Gold
Ich habe sie hier heraufgebracht, ohne dass der Master davon weiÃ.«
Dann hütete die getreue Haushälterin also auch ihre Geheimnisse und es gab Ecken in Wyndriven Abbey, von denen der Master nichts wusste.
In der Ahnengalerie hingen Gemälde aus drei Jahrhunderten von den früheren Besitzern der Abtei. Mein Patenonkel hatte sich alle diese Vorfahren »geborgt«. Neben M. Bernards Porträt gähnte ein verblichenes Rechteck an der Wand.
»Hing hier das Porträt von Monsieur Bernards Frau?«, fragte ich.
»Hier hingen die Bilder unterschiedlicher Damen«, antwortete Mrs Duckworth steif. »Der Master war mehr als ein Mal verheiratet. An schlimme Ereignisse will er jedoch nicht ständig erinnert werden, deshalb wurden die Bilder entfernt.«
Ich hätte gerne nachgehakt, doch an den zusammengekniffenen Lippen der Haushälterin sah ich, dass ihr im Moment keine weiteren Informationen zu entlocken waren. Mehr als ein Mal hatte sie gesagt. Wie viele Ehen waren es? Und wenn es keine Geister gab, war in einem der abgeschlossenen Zimmer vielleicht eine verrückt gewordene Ehefrau eingesperrt? Vielleicht im Ostflügel, von dem es hieÃ, er würde renoviert? Es wäre lustig (wenn auch tragisch), sich eine angemessen verrückte Frau für M. Bernard vorzustellen. Ha! Hier warteten Geheimnisse darauf, gelüftet zu werden. Dieses Haus war wie geschaffen für Geheimnisse. Ich hoffte, mich irgendwann ohne Mrs Duckworth umsehen zu können.
Wir brauchten zwei Stunden für den Rundgang durchs Haus, ohne eine einzige Pause. Am Ende war ich wie betäubt und meine FüÃe schmerzten vom Gehen in zu engen Schuhen. Mir fielen keine bewundernden Kommentare mehr ein .
Es gab ein Zuviel an Gemälden mit Motiven aus dem Alten Testament und der Mythologie. Ein Zuviel an GroÃartigkeit, an Fülle und Schnörkel und Blattgold. Ein Zuviel an Räumen für einen Mann und â seit gestern â ein Mädchen.
Kapitel 5
MODE
Am späten Nachmittag stürmte eine dunkelhäutige, energische Frau mit einem nicht zu übersehenden Oberlippenbart in mein Schlafzimmer. Hinter ihr kamen die Diener hereingewankt, beladen mit Stoffballen, Garnrollen, Bändern und Spitze, die sie auf der breiten Ottomane ablegten.
Die Schneiderin nickte zufrieden, als sie mich von oben bis unten betrachtete. »Es wird ein Vergnügen sein«, meinte sie, »für eine demoiselle wie Mademoiselle Petheram zu arbeiten.« Madame Duclos breitete Modezeichnungen aus Le Petit Courier des Dames aus und mir schwirrte bald der Kopf von ihren Plänen für meine Garderobe. Ich strich mit den Fingern über Ballen mit Musselin, Batist, Tarlatan, Brokat und Seide.
Es sollten Kleider für den Tag und für den Abend entstehen, aus Tüll und Grenadine und mit Bändern geputzt, ein Ãberkleid in Stachelbeergrün mit breiten Streifen aus schwarzem Taft, Reitkleidung aus rostroter Surah-Seide. Madames Beschreibung von Pagodenärmeln und Spitzenärmeln kamen wie aus der Pistole geschossen. Es sollten Norwich-Schals, Paisley-Schals und solche aus Spitze entstehen sowie Jacken und Mäntel und Capes. Falls Mademoiselle es erlaubte, würde Mme. Duclos einen ihr bekannten Hutmacher mit ausgezeichnetem Geschmack und ungewöhnlicher Kunstfertigkeit beauftragen, für Mademoiselle Hauben und Hüte zu entwerfen, die ihren Teint extraordinaire zur Geltung bringen würden.
Sie nahm bei mir Maà und ich hielt diesen Stoff hoch, um zu sehen, wie er fiel, strich mit der Hand über jenen, um zu wissen, wie er sich anfühlte. So viel Auswahl. Ich erbat mir ein Abendkleid aus smaragdgrüner Seide mit in den Rock eingestickten Gagatperlen, doch darüber hinaus überlieà ich die Wahl meist Madame. Wer hätte gedacht, dass mir, Sophia Petheram, bei dem Gedanken an so viele Kleider fast übel werden könnte wie von zu vielen SüÃigkeiten? Ich war jedoch sicher, dass ich mich bald wieder erholen und es mir dann leidtun würde, dass ich nicht mehr Wünsche geäuÃert hatte.
Nachdem die Schneiderin gegangen war, setzte ich mich auf die Ottomane und strich mit der Hand über den weiÃen Knautschsamt. Ohne die eingestickten Perlen hätte er sich so weich angefühlt â als streichelte man sein SchoÃtier. Reinstes WeiÃ. Meine Zahme-Eisbär-Ottomane. Ich lächelte, wurde jedoch wieder ernst, als ich genauer hinschaute.
Um eine
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