So wie Kupfer und Gold
hatte er alles verdorben. Ich weinte, bis ich keine Tränen mehr hatte.
Blicklos starrte ich auf die Unterseite meines gequilteten Betthimmels und musste dabei an die Unterseite eines Sargdeckels denken, als Talitha hereinkam. »Master fragen, Sie kommen zum Essen?«
»Sag ihm nein, ich komme nicht.«
Sie ging nicht hinaus. »Bitte, Miss Sophia.«
Ich schwieg.
»Bitte, er sonst zornig.«
»Dann soll er zornig sein. Dieses Mal komme ich nicht.«
Ich rollte mich herum und vergrub mein Gesicht im Kissen, spürte aber, dass Talitha immer noch da war. Ich hörte, wie sie zum Bett kam. Sie tätschelte unbeholfen meinen Rücken.
»Danke«, flüsterte ich, »aber ich gehe trotzdem nicht hinunter.«
Sie seufzte und verlieà mein Zimmer.
Als es dunkel wurde, schälte ich mich aus meinem Kleid und schlüpfte in ein Nachthemd. Ich riss die Bänder und goldenen Blätter aus meinem Haar und schmiss sie in Richtung Frisiertisch. Als Odette hereinkam, stellte ich mich schlafend. Beim Klang ihrer Schritte überkam mich würgende, flammende Wut. Ich fragte mich, ob sie es spürte.
» Je suis désolée «, murmelte sie. Sie strich über die blauen Flecken an meinem Arm, die M. Bernards Finger hinterlassen hatten. Ich zuckte zurück.
Es tat ihr leid. Warum hatte sie es getan, wenn es ihr leid tat? Ich hielt die Augen fest geschlossen. Ich hörte, wie sie das Kleid aufhob und ausschüttelte, wie sie es aufhängte und dann das Zimmer verlieÃ.
M. Bernard bestand auf ihre Anwesenheit, also musste ich Odette ertragen.
Sie konnte in meinen Schubladen und Schmuckkästchen herumschnüffeln. Was, wenn sie meine Geheimnisse unter der Schreibunterlage entdeckte? Leise stieg ich aus dem Bett und holte das Blatt, auf dem ich den Text des »Drinking Gourd«-Liedes aufgeschrieben hatte, sowie den Umschlag mit dem roten Haar und der Nachricht für Tara hervor. Den Liedtext wusste ich inzwischen auswendig, also konnte ich das Blatt im Kamin verbrennen. Den Umschlag legte ich offen in die Schreibtischschublade. Wenn sie ihn dort zwischen dem Durcheinander der vielen anderen Dinge fand, würde sie ihm keine Bedeutung beimessen.
In der Nacht wachte ich immer wieder auf, spielte die Szene mit M. Bernard in Gedanken noch einmal durch und überlegte, was ich hätte sagen sollen. Wenn ich danach wieder einschlief, träumte ich schlecht.
Kühle Luft strich über meine bloÃen Beine. Nur meine FüÃe steckten noch unter den Laken. Langsam, kaum merklich wanderte mein Nachthemd an meinem Körper hinauf, Zentimeter um Zentimeter. Gerade noch war es knapp unterhalb meiner Knie, dann knapp darüber. Ich stieà einen kurzen, erstickten Schrei aus, richtete mich mit einem Ruck auf, um die Laken vom FuÃende des Bettes heraufzuziehen, und erwachte vollends.
Ich lugte in die dunklen Ecken des vom Mondlicht erleuchteten Zimmers. Niemand. Die Tür war abgeschlossen. Oder hatte ich vergessen, sie abzuschlieÃen? Ich schlich mich hin und sah, dass sie sperrangelweit offen stand. Ich schloss sie und drehte den Schlüssel um.
Niemand war im Zimmer. Ich hatte einen Albtraum gehabt.
»Charles«, bat ich am nächsten Morgen, »würden Sie bitte meinen Koffer vom Speicher holen und in mein Zimmer stellen?«
Er hob die Brauen, erwiderte jedoch nur: »Jawohl, Miss.«
DrauÃen auf der Veranda nahm ich Buttercup auf den Arm.
»Ich gehe«, flüsterte ich, »und komme nie mehr zurück.«
Ich setzte ihn vorsichtig auf die Bank und strich ihm noch ein Mal über seinen langen Schwanz. Dann ging ich hinunter in den Garten, um einen letzten Spaziergang zu machen und meine Pläne noch einmal zu überdenken. Buttercup sprang leichtfüÃig die Stufen hinunter und folgte mir.
»Dann kommst du eben mit.«
Wir schlenderten die gewundenen Wege zwischen den Beeten entlang. Buttercup schnüffelte unter meinen Röcken und lief mir zwischen den Beinen herum, dass ich fast über ihn gestolpert wäre. Ich würde ihn schrecklich vermissen. »Ich werde Charles bitten, dass er dich weiter füttert«, versprach ich ihm.
Gleich heute würde ich M. Bernard über meine Abreise informieren. Das Geld für die Reise würde er mir sicher leihen. SchlieÃlich wurde er damit eine Person los, die er so sehr verachtete. Meine Familie war sicher enttäuscht über meine frühe Rückkehr, die alle ihre
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