So wie Kupfer und Gold
Patenonkel hätte beschweren können. Im Gegenteil, sie hielt meine Sachen wunderbar in Ordnung. Und sie legte groÃes Geschick mit meinen Haaren an den Tag. Morgens drehte sie einzelne Strähnen zu Locken und steckte sie hoch. Ein paar Löckchen durften entwischen. Da ich das Haar M. Bernards Wunsch entsprechend abends offen trug, steckte sie jeweils an den vorteilhaftesten Stellen einen Jadekamm oder eine silberne Spange oder eine Blüte hinein.
Ein paar Mal die Woche half sie mir in die exotisch-fremdländischen Kostüme, die mein Patenonkel aussuchte. Und sie erhöhte deren Reiz sogar noch. Für mein indisches Kostüm besorgte sie einen Kholstift und zeichnete meine Lidränder nach. Für mein ensemble aus Istanbul wählte sie eine blassblaue Schärpe, die sie so geschickt band, dass sie die weiche weiÃe Hose und das dunkelblaue Ãberkleid hervorhob.
Einmal, als sie mich als Mandschurin zurechtmachte, hörte ich aus ihrem Gemurmel das Wort poupée heraus, von dem ich wusste, dass es Puppe bedeutet. Ich biss die Zähne zusammen und blickte sie direkt an. Vielleicht war ich ja tatsächlich seine Puppe. Na und? Es machte mir nichts aus, mich mit Kleid und Frisur auf Monsieurs Grillen einzulassen. Sonst gab es wenig genug, womit ich ihn aufmuntern und ihm für seine GroÃzügigkeit danken konnte.
Kapitel 15
TIGER, TIGER
Nicht lange danach betrachtete ich mich an einem Spätnachmittag stolz im Spiegel. Odette hatte mir gerade in ein Gesellschaftskleid aus weiÃgrundiger Seide geholfen. Das Mieder und die winzigen Ãrmel waren mit breiten Bändern aus mit Saphiren besticktem Samt ausgeschmückt. Opale hingen an meinen Ohren und an meinem Handgelenk. Odette hatte auÃerdem blaue und goldene Bänder, durchsetzt mit goldenen Blättern, in mein offenes Haar geflochten.
» Vous etes jolie «, bemerkte sie.
Odette hatte mir noch nie ein Kompliment gemacht. Sollte sie etwa umgänglicher werden? Wenn ich es mir recht überlegte, hatte sie sich den ganzen Nachmittag schon merkwürdig verhalten, sich mit dem Ankleiden beeilt, als erwartete sie etwas.
Ein kurzes Klopfen an der Tür und Talitha streckte den Kopf herein. »Miss, Master sagen, Sie sollân zu ihm in den roten Salon kommen. Sofort.«
Ich nickte, augenblicklich nervös. Das hatte es bis jetzt noch nie gegeben.
Als ich den Salon betrat, zuckte ich beim Anblick von M. Bernards Miene zurück. Sein Mund war ein schmaler Strich und seine Nasenflügel waren weià und bebten, die Augen funkelten. In der Hand hielt er zusammengeknülltes Papier. Er wedelte mir damit so dicht vor dem Gesicht herum, dass es meine Nase streifte.
»Ich weià nicht, was ich sagen soll, Sophia. Dass du in deinem zarten Alter schon ein ausgemachtes Flittchen bist. Was soll ich davon halten?«
»Was â ich verstehe nicht â was haben Sie da?«, stammelte ich.
»Du willst mich glauben machen, du wüsstest es nicht?«
Sein heiÃer Atem schoss mir ins Gesicht.
»Ich weià nicht, worum es sich handelt«, erwiderte ich.
Er packte mich so fest am Oberarm, dass es schmerzte. »Du erkennst diese Schreiben nicht, die du so sorgfältig in deiner Schmuckschatulle aufbewahrt hast? Briefe von einem Mann, der deine wunderschönen Augen, deine wunderschöne Haut beschreibt? Erhältst du so persönliche Komplimente so oft, dass ihre Dreistigkeit sich deinem Gedächtnis nicht mehr einprägt? Welche anderen Freiheiten hast du diesem cochon gewährt?«
Die Briefe von Felix aus meiner Schmuckschatulle. Diese unschuldigen, süÃen Liebesbriefe. M. Bernard unterstellte mir etwas Abscheuliches. Ich funkelte ihn an. »Sir, liest ein Gentleman an mich adressierte Briefe? Es handelt sich um private Mitteilungen, die vor Jahren geschrieben wurden und nur für meine Augen bestimmt waren. Der junge Mann, der sie geschickt hat, verhielt sich immer respektvoll. Ich habe sie aufbewahrt, weil nie zuvor und seither nie wieder so liebevolle Worte an mich gerichtet wurden.«
Ich schnappte mir die Blätter, riss mich los und stürmte hinaus, meine Wangen flammend rot. Auf dem Flur begegnete ich Odette. Schuldbewusst wandte sie den Blick ab. Sie hatte die Briefe meinem Patenonkel gegeben.
Ich schmiss sie in das leise flackernde Feuer in meinem Kamin, warf mich auf mein Bett und weinte bitterlich. Mit seinen hässlichen, ungerechten und unwahren Unterstellungen
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