So wie Kupfer und Gold
später, wahrscheinlich nach Mitternacht, schreckte mich ein anderes Geräusch aus dem Schlaf auf. Bevor ich es identifizieren konnte, war wieder alles still. Was immer es war, es lieà das Mark in meinen Knochen gefrieren. Ich stand auf, wickelte mich in meine Decke und trat auf den Balkon. Ein schief hängender, zu drei Vierteln voller Mond mit zerfledderten schwarzen Wolkenstreifen tauchte den Garten in ein bleiches Licht. Der See in der Ferne spiegelte es wider und die palladianische Brücke und mein Schwanenboot schufen eine gespenstische Szene wie aus dem Märchen. Vollkommen friedlich. Alles, wie es sein sollte.
Eine Bewegung beim Wasser fesselte meinen Blick. Zwei groÃe, schlanke Gestalten traten Hand in Hand aus dem Dunkel in das silberne Licht. Ich erkannte die Silhouetten von Charles und Talitha. Er zog sie an sich. Abrupt drehte ich mich um und ging zurück in mein Zimmer. Es war zu schön, um hinzuschauen.
Kapitel 19
PASTOR STONE
M. Bernard trat im Frühstückszimmer hinter mich und legte mir kurz die Hand auf die Schulter, als er übermütig sein Bein über einen Stuhl schwang.
»Ich bin am Verhungern.«
Dass er Hunger hatte, wunderte mich nicht. Was mich dagegen wunderte, waren seine glatte Stirn und seine strahlenden Augen. Vergnügt verdrückte er Eier, Wurst, Schinken, eine Orange und ein Brötchen, und das alles in der Zeit, die ich brauchte, um eine Scheibe Marmeladentoast zu essen.
Offenbar wirkten sich wilde Musik und Erbrechen positiv auf meinen Patenonkel aus.
» La vie est belle «, verkündete er und erhob sich. »Ich bin jetzt bereit, mich mit Bass und dem Aufseher zu befassen, die mir gestern Kummer bereitet haben. Ãbrigens, es tut mir leid, wenn ich gestern Abend nicht sehr gesellig war. Es war ihre Schuld. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr sie mich enttäuscht haben, aber ich habe sie bald wieder in der Spur. Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag, mon cÅur en sucre â was, falls du dich fragen solltest, âºHerz aus Zuckerâ¹ bedeutet.« Er schnippte mit einer Hand gegen meine Locken und rauschte aus dem Zimmer.
Odette wartete drauÃen auf der Veranda. Sie folgte mir, als ich durch den Garten und den Park ging.
Es war ein strahlend blauer Oktobermorgen. Heftige Windböen pfiffen um die Ecken. Wenn das Laub vor Kurzem noch die mattgrüne Farbe des ausgehenden Sommers gehabt hatte, tüpfelte jetzt der Herbst die Landschaft. Odette setzte sich auf ihren üblichen Platz neben der Backsteinmauer.
Als ich ganz von Bäumen umgeben war, atmete ich tief die saubere, frische, leicht nach Kiefern riechende Luft ein. Wie unterschied sie sich doch von den süÃlich schweren Düften, die in Wyndriven Abbey vorherrschten und die anderen Gerüche des Hauses überlagerten. Tief im Wald blieb ich unter einer gewaltigen, rot und golden gesprenkelten Eiche stehen.
Irgendwo â über mir? â räusperte sich jemand. Ich legte den Kopf in den Nacken und erschrak, als ich direkt über m ir zwei in einer schwarzen Hose steckende Beine baumeln sah.
»Passen Sie auf«, sagte eine Stimme, »ich kann mich nicht länger halten.«
Ich konnte gerade noch einen Sprung zur Seite machen, da krachte der Mann auch schon herunter. Wie versteinert stand ich da und beobachtete, wie er seine langen Beine sortierte, sich aufrichtete und abklopfte. Er war ein groÃer, schlanker junger Gentleman mit schwarzem Gehrock und verlegenem Gesichtsausdruck.
»Ich weià nicht recht, was ich sagen soll«, begann er und griff nach einer Schaufel, die an einem Ast ganz in meiner Nähe hing. »Ich muss meine Würde wiederfinden. Sehen Sie sie hier irgendwo herumliegen?« Er blickte sich um, als suche er tatsächlich nach etwas. »Auf dieser Eiche wächst eine faszinierende Flechte und es ist mir gelungen, hinaufzuklettern und eine Probe davon zu nehmen. Ich wollte gerade wieder herunterspringen, als Sie daherkamen. Ich wollte Sie nicht erschrecken, aber Sie wollten einfach nicht weggehen. Irgendwann konnte ich mich nicht mehr halten. Ich entschuldige mich vielmals.«
»Und ich entschuldige mich dafür, dass ich nicht schnell genug verschwunden bin, als Sie in einer so prekären Lage waren.«
Er schaute auf mich herunter und grinste. Er hatte einen breiten Mund und ein fröhliches Lächeln, eine groÃe Nase und nicht zu bändigendes braunes Haar. Er hatte etwas
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