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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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musste seines sein.
    Mit einem Schlag stand sein liebes Gesicht wieder vor meinem geistigen Auge. Hatte ich ihn vor Freude über einen Ausflug tatsächlich vergessen?
    Als wir auf das Gelände von Wyndriven Abbey fuhren, überkam mich eine solche Beklemmung, dass es mir fast den Atem nahm.

Kapitel 24
    EINE FRAGE
    Ich hatte vorgehabt, am nächsten Tag Anarchy zu besuchen und ihr den Umhang zu bringen. Doch ich wachte mit Halsschmerzen auf, die sich bald als eitrige Entzündung herausstellten. Ich konnte nirgendwo hingehen. Zwei Wochen lang hatte ich hohes Fieber. Ich bekam vage mit, wie Ducky mir Löffel mit Saft und Tee zwischen die aufgesprungenen Lippen schob und Ling mir tropfenweise seine Arzneien aus orientalischen Kräutern verabreichte.
    M. Bernard saß oft an meinem Bett und las mir vor, legte kühle feuchte Tücher auf meine Stirn und berührte mit besorgtem Blick mein Gesicht, um meine Temperatur zu prüfen. Er hielt zärtlich meine Hand und ich brauchte seine beruhigende Berührung, griff immer wieder nach seinen Fingern, wenn er sie wegziehen wollte. Ich musste wissen, dass jemand in meiner Nähe war. Dass sich jemand um mich kümmerte.
    Halb im Unterbewusstsein fragte ich mich, warum sie nicht nach einem Arzt schickten. Als Ducky mit einem Glas Essigwasser hereinkam, krächzte ich: »Bitte schicken Sie nach einem Doktor.«
    Sie steckte die Bettdecke um mich herum fest. »Master Bernard traut den Ärzten nicht – seit Madame Adele starb. Das hat er mir erst gestern Abend gesagt. Sie können sich vorstellen, wie schwer es ihm fiel, das zuzugeben. Schließlich hat er seit ihrem Tod ihren Namen nicht mehr erwähnt. Merken Sie, wie gut Sie ihm tun? Er kommt sogar über seinen Verlust hinweg. Und alles wegen Ihnen.«
    Ihre Stimme schien von weit her zu kommen. Ich schloss die Augen. Mir fehlte die Kraft, um Ducky zuzuhören. Ich war zu krank, um zu verstehen, was sie sagte.
    Als ich in dieser Nacht allein war, glühend heiß, das Bettzeug drückte schwer auf meinen Körper, da ich zu schwach war, um es anzuheben, bemerkte ich ein schwaches Leuchten, das mein ganzes Zimmer erhellte. Vier Gestalten standen um mein Bett herum.
    Da, da, da und da. Vier Frauen, alle mit rötlichem Haar. Ich kannte sie und flüsterte heiser ihre Namen: »Victoire, Tatiana, Tara, Adele.« Meine Schwestern. Fast hatte ich sie erwartet. Traurig und gefasst blickten sie auf mich herab. Victoire trug Smaragdgrün, Tatiana Meerschaumweiß, Tara Schlüsselblumengelb und Adele Saphirblau, genau wie auf ihren Porträts. Geister. Aber nein, dann sollten es nur drei sein. Victoire lebte ja noch. Und doch war sie hier. Auch Ducky hatte sie vor langer Zeit noch einmal im Haus gesehen, nachdem sie aus der Abtei geflohen war. War sie womöglich damals schon tot gewesen?
    Ich hörte leises Gemurmel. Es klang wie das Plätschern und Sprudeln eines Baches. Eine kühle Brise strich über meine glühend heiße Haut. Ich schlief ruhig.
    Von diesem Tag an ging es mit mir aufwärts. Ich erhaschte immer wieder kurze Blicke auf die Geister. Handelte es sich tatsächlich um greifbare Wesen oder nur um Schatten, um Abbilder derer, die einmal hier gelebt hatten? Vielleicht halluzinierte ich aber auch infolge des schrecklichen Fiebers. Ich wusste es nicht, aber ich sah, was ich sah.
    Vom Verstand her hatte ich nie Angst vor den Gespenstern – sie machten einen zu betrübten Eindruck, um eine Bedrohung darzustellen –, aber mein Körper reagierte. Kurz bevor dieses Etwas, dieser Schatten aus Nebel und Farbe vorbeiglitt, kroch eine Kälte in mir hoch und alle Muskeln verspannten sich. Dieser Zustand hielt auch lange, nachdem die Erscheinung verschwunden war, noch an.
    Es hieß, gute Menschen kämen in den Himmel. Bestimmt waren meine Eltern dort – etwas anderes würde ich nie annehmen. Ausgehend von Gespenstergeschichten fesselte ein großes Gefühl oder eine nicht erledigte Aufgabe diese Frauen an die Abtei. Konnte man Toten noch helfen? Würden sie es mir sagen, wenn ich mit ihnen reden könnte?
    Eines Morgens wachte ich mit klopfendem Herzen auf. Tara stand vor mir, umgeben von einem warmen Glitzern.
    Â»Tara«, brachte ich flüsternd hervor.
    Ein leises, verlorenes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    Â»Was ist der Grund?«, fragte ich. »Warum seid ihr hier?«
    Ihr Schweigen und ihr Lächeln verursachten

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