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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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den sie genommen hatten. Er erinnerte sich, dass der Junge gesagt hatte, er habe in der Ferne ein Bauernhaus gesehen – war er noch ein Stück weitergegangen, ehe er umgekehrt und nach Barbridge zurückgelaufen war?
    Die Beamten traten zur Seite, als Babcock und Larkin sich näherten, sodass die beiden freie Sicht auf den Leinpfad hatten. Doch erst als er an ihnen vorbeigegangen war, erblickte Babcock die zusammengesunkene Gestalt im grünen Gras.
    Sie hatte den Arm übers Gesicht gelegt, als ob sie schliefe, doch die abstehenden Strähnen ihres blonden Haars waren von Blut geschwärzt, und ihre Beine waren in einem unnatürlichen Winkel gespreizt. Babcock ging in die Hocke und hob ganz vorsichtig den Arm an, um ihr Gesicht sehen zu können.
    »Ach du lieber Himmel!« Der Schock des Wiedererkennens schlug ihm auf den Magen, und für einen Moment verschwamm das Gesicht vor seinen Augen. Blinzelnd hockte er sich auf die Fersen und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, dann blickte er vorwurfsvoll zu Larkin auf. »Ich dachte, der Junge hätte gesagt, ihr Name sei Lebow.«
    »Der Junge schien sich bei seiner Identifizierung ganz sicher zu sein«, verteidigte sich Larkin. »Und es war noch niemand auf dem Boot. Wollen Sie damit sagen, dass sie nicht Lebow heißt?«
    Er warf noch einen letzten Blick auf das bleiche Gesicht. Die Augen waren weit aufgerissen, die leicht geöffneten Lippen schienen Überraschung auszudrücken. »Als ich sie gekannt habe«, sagte er gedehnt, »war ihr Name Annie Constantine.«
     
    Obwohl Gemma fuhr, war es Kincaid, der dem Constable an der Absperrung der Dorfstraße seinen Dienstausweis zeigte; es war Kincaid, der erklärte, er sei von Chief Inspector Babcock gerufen worden, und er sei der Vater des Zeugen.

    Die Wut, die Gemma zu ihrem Temperamentsausbruch in der Küche getrieben hatte, loderte erneut in ihr auf. Was war sie denn – seine Fahrerin? Nie zuvor hatte sie so schmerzlich zu spüren bekommen, dass sie in Kits Leben keine gesellschaftlich anerkannte Rolle spielte; nie hatte sie es so bedauert, dass sie nicht sagen konnte: »Ich bin seine Mutter«, oder wenigstens: »Er ist mein Stiefsohn.« Und außerdem schienen alle vergessen zu haben, dass sie auch Polizeibeamtin war und vielleicht etwas zur Sache beizutragen hatte.
    Während sie innerlich vor Wut schäumte, lenkte sie ihren Escort an den Streifenwagen vorbei, die das hintere Ende der Zufahrtsstraße säumten, doch als sie Kit erblickte, verflog ihr ganzer Ärger, und sie schämte sich für ihre kleinliche Eifersucht.
    Er saß im Gras am Fuß der Steinbrücke, die Beine angezogen, mit dem Rücken an den Brückenpfeiler gelehnt, sein schmales Gesicht verängstigt und unglücklich. Eine silberfarbene Rettungsdecke war ihm von der einen Schulter gerutscht und gab den Blick auf den zottigen braunen Hund frei, den er auf dem Schoß hielt.
    Sein Gesicht hellte sich auf, als er die beiden erblickte. Sofort sprang er auf und ließ die Decke zu Boden gleiten.
    Gemma stellte den Escort in zweiter Reihe neben einem Geländewagen ab, der am Ende der kleinen Parkbucht nahe der Brücke stand.
    Kincaid war schon ausgestiegen, bevor sie den Wagen ganz zum Stehen gebracht hatte, und war deshalb als Erster bei Kit. Als Gemma zu ihnen stieß, hatte Kincaid schon einen Arm um den Jungen gelegt. Für einen kurzen Moment vergrub Kit sein Gesicht an der Schulter seines Vaters, dann richtete er sich auf und löste sich von ihm, während er sich auf die Unterlippe biss.
    Gemma hätte den Jungen so gerne in die Arme geschlossen, ihn fest an sich gedrückt, seine Haare gestreichelt und ihm gesagt,
dass es in Ordnung sei, zu weinen. Aber sie hielt sich zurück, wie sie es immer tat, aus Furcht, ihre Grenzen zu überschreiten und zu versuchen, die Stelle seiner Mutter einzunehmen. So beschränkte sie sich darauf, ihm auf die Schulter zu klopfen, während Kincaid sagte: »Alles in Ordnung, Kit? Erzähl mir, was passiert ist.«
    Natürlich war nicht alles in Ordnung, dachte Gemma, doch Kit antwortete prompt, wenngleich mit sichtlicher Mühe: »Wir sind spazieren gegangen. Ich habe das Boot gesehen. Und dann hab ich sie gesehen – Annie. Ich wusste …« Er schüttelte den Kopf.
    »Sonst hast du niemanden gesehen?«, fragte Kincaid.
    »Nein. Das hab ich dem Chief Inspector schon gesagt.«
    Kincaid fasste ihn sanft, aber fest an den Schultern und blickte ihm in die Augen. »Hast du irgendetwas angefasst?«
    Gemmas erster Gedanke war, dass dies

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