Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
Piers, als Caspar ihm sein Whiskyglas in die Hand drückte. Er nahm einen kleinen Schluck und ließ sich einen Moment Zeit, um den Geschmack auszukosten, ehe er sein Urteil abgab. »Sehr fein. Du solltest dir nicht von Juliet den Blutdruck in die Höhe jagen lassen«, fügte er hinzu und musterte Caspar über den Rand seines Glases hinweg. »Wahrscheinlich ist sie nur von der Verwandtschaft aufgehalten worden. Hast du nicht gesagt, dass ihr Bruder heute kommt? Vielleicht hat er sich ja wegen des Wetters verspätet.«
    Aber Caspar ließ sich nicht beruhigen. »Das gibt ihr noch lange nicht das Recht, einfach ihr Handy auszuschalten. Das ist rücksichtslos und durch nichts zu entschuldigen. Ich rede ja gar nicht erst davon, dass sie die ganze Bande für Heiligabend eingeladen hat, ohne mich vorher zu fragen.«
    »Es ist Weihnachten, Caspar. Wenn ich es fertigbringe, beim
Essen mit meiner entzückenden Ex die Friedenspfeife zu rauchen, wirst du dich doch wohl mit deiner buckligen Verwandtschaft arrangieren können. Du tust ja gerade so, als hätten sie alle die Pest am Leib.« Piers ließ sich das zweite Drittel seines Drinks munden. Er war ein kräftiger Mann, mit einer dichten, hellblonden Löwenmähne, und die paar Pfunde, die er mit dem Eintritt ins fünfte Lebensjahrzehnt zugelegt hatte, standen ihm gar nicht schlecht. An diesem Abend trug er eine lange, gefütterte Jeansjacke über einem flauschigen grünen Pullover und sah aus wie ein waschechter englischer Gutsbesitzer.
    Caspar, den Piers’ Kritik empfindlich getroffen hatte, wechselte rasch das Thema. »Ist Leo denn schon bei Helen?«, fragte er.
    Leo war Piers’ vierzehnjähriger Sohn, Helen seine Exfrau. Piers und Helen teilten sich das Sorgerecht für den Jungen, aber seit Piers das viktorianische Herrenhaus ein paar Meilen außerhalb der Stadt gekauft hatte und sich in der Rolle des Landedelmanns gefiel, verbrachte Leo die meiste Zeit bei seinem Vater.
    Dabei ließ Piers Helen Dutton keineswegs darben – sie wohnte in einem Cottage im Neotudorstil im Westen von Nantwich, direkt am anderen Flussufer, und er nahm an, dass Helen es wohl für klüger hielt, nicht zu protestieren. Im Gegensatz zu seiner eigenen aufsässigen Frau hatte Helen es immer schon verstanden, möglichst viel für sich selbst herauszuholen.
    »O ja. Leos Großeltern sind auch dort, und er benimmt sich tadellos. Hofft wohl, dass sein Weihnachtsscheck dann noch etwas höher ausfällt, schätze ich«, fügte Piers mit einer gewissen Genugtuung hinzu. Leo Dutton hatte das gute Aussehen seines Vaters geerbt, und er verstand es bereits sehr gut, dies zu seinem Vorteil einzusetzen.

    Piers flößte sich das letzte Drittel seines Whiskys ein, streckte sich und stand auf. »Ich sollte mich wohl besser auf den Weg machen. Wenn ich Helen mit dem Essen warten lasse, muss ich den ganzen Abend ihre beleidigten Blicke ertragen. Wir sehen uns dann später in der Kirche, ja?«
    Caspar glaubte zwar nicht, dass Piers auch nur einen Deut religiöser war als er selbst, aber mehrere ihrer Kunden waren im Kirchenvorstand und gingen regelmäßig zum Gottesdienst, und deshalb war es ratsam, sich ebenfalls gelegentlich dort blicken zu lassen. Nantwich war eine kleine Stadt, und die gesellschaftlichen Sphären derjenigen Bürger, die Geld für Investitionen übrig hatten, waren eng miteinander verwoben. Es war unerlässlich, die Kontakte zu den Honoratioren zu pflegen und nach Möglichkeit zu stärken, wenn ihre Firma prosperieren sollte.
    »Falls wir es schaffen«, erwiderte Caspar mit einem erneuten Blick auf seine Uhr. »So, wie’s im Moment aussieht …«
    Piers, der schon an der Tür war, wandte sich mit einem entnervten Seufzer um. »Mein Gott, nun ruf doch endlich deine Schwiegermutter an. Wenn du dir Sorgen machst …«
    »Ich mache mir keine Sorgen«, entgegnete Caspar stur. Trotzig kippte er die Hälfte seines Whiskys in einem Schluck hinunter und spürte, wie das Feuer sich seinen Weg bis in den Magen brannte.
    »Caspar.« Piers betrachtete ihn nachdenklich. »Ihr hattet Krach, nicht wahr? Einen Mordskrach.« Er runzelte die Stirn, und seine buschigen Brauen zogen sich zusammen. »Du hast doch Juliet nichts von unserer kleinen Unterredung gesagt, oder? Das sollte strikt unter uns bleiben. Du warst einverstanden.«
    Caspar war jetzt hin und her gerissen zwischen seinem schlechten Gewissen und dem Drang, sich Luft zu machen. »Es ist mir einfach so rausgerutscht«, gestand er. »Es war keine

Weitere Kostenlose Bücher